Kommentar: Sturmwarnung aus Genf

Nr. 21 –

Die Fusion des deutschen Pharmakonzerns Merck mit der Biotechfirma Serono war ein Zusammenstoss zwischen Ozeandampfer und Segeljacht. Kontrollen aus Darmstadt erstickten Initiativen aus Genf, flache Hierarchien bei Serono und starke bei Merck zeigten sich als unvereinbar, der Merck-Firmensitz in Darmstadt stellte Eigeninteresse vor das Interesse des Gesamtkonzerns: Die Segeljacht ist leckgeschlagen.

Doch der Luxusdampfer trägt ebenfalls Schrammen davon. Wenn über tausend hoch qualifizierte Angestellte eines Forschungszentrums zornig sind, wird eine andere Welt vorstellbar. Warum nicht eine Internetkampagne starten und fordern, dass sich die AktionärInnen zur Torpedierung des Genfer Forschungszentrums äussern sollen? Warum nicht einen offenen Brief an François Hollande schreiben und die europäische Dimension der Biotechforschung verteidigen? Wem gehören nach dem einseitigen Vertragsbruch aus Darmstadt die Urheberrechte der Forschenden? Solche Fragen werden auf der Website der Angestellten von Merck-Serono diskutiert. Auch die neue gewerkschaftliche Erfahrung wird thematisiert. Man ist der Gewerkschaft Unia dankbar, die ganz pragmatisch Gegendruck herstellt.

Am letzten Montag haben die Serono-Angestellten ihre Streikdrohung zurückgezogen, um kollektiv nach Alternativen zu suchen, wie vor einigen Monaten die Angestellten von Novartis Nyon. Doch der Vergleich geht nicht auf. Merck ist, anders als Novartis, nicht an Steuererleichterungen und Rahmenbedingungen interessiert, sondern hat Serono aufgekauft, um an die Patente heranzukommen. Deshalb prüfen die Angestellten nicht, wie effizienter gearbeitet werden kann, sondern vielmehr wie Kompetenzen in Genf behalten, ob Teile der Forschungsaktivitäten gemeinsam mit Universitäten oder Universitätsspitälern weitergeführt werden können.

Die Mobilisierung bleibt stark: Wenn sich Merck bis zum 4. Juni taub stellt, ist die Streikdrohung nicht vom Tisch. Unterstützung kommt aus der Politik – eine Taskforce mit Beteiligung des Bundesrats, koordiniert von der Genfer Regierung, wird auf die Beine gestellt. Betroffen zeigen sich auch diverse Unternehmen, die befürchten, die schweizerische Sozialpartnerschaft könnte wegen der unverantwortlichen Politik multinationaler Konzerne mit Mann und Maus untergehen.