Durch den Monat mit Veronika Jaeggi (5): Wann holen Sie endlich diese Hollywoodschaukel?

Nr. 22 –

Wenige Tage nach Abschluss der 34. Solothurner Literaturtage wollte Veronika Jaeggi endlich einmal das Gras in ihrem Garten schneiden. Dann aber hat sie den Mäher gleich wieder abgestellt.

«Loslassen? Vorerst das grosse Aufräumen!»: 
Veronika Jaeggi blickt aus ihrem Büro in den Garten.

WOZ: Veronika Jaeggi, Sie geniessen jetzt sicher die Ruhe nach dem letzten Sturm?
Veronika Jaeggi: Nach dem Sturm!? Grad komme ich von der Schlüsselübergabe des neuen Büros. Und schon gelangen Anfragen fürs nächste Jahr an uns. Da Bettina Spoerri erst Anfang Juli übernimmt, befinden wir uns jetzt in einer Zwischenphase. Das alles ist neu für uns: Wir haben im Lauf der Geschichte der Literaturtage noch nie eine solche Übergabe gemacht.

Derzeit bin ich hauptsächlich mit der Kassaabrechnung der letzten Literaturtage beschäftigt. Neben den Einnahmen sind auch die Ausgaben zu verbuchen, über hundert Honorare sind bar ausbezahlt worden. Nur grad zwei Autoren vergassen, ihr Honorar abzuholen …

Keine Zeit, um den Gutschein für eine Hollywoodschaukel einzulösen?
Das mit der Schaukel war wohl eher ein Gag. Und Zeit, mich da reinzusetzen, hätte ich eh nicht. Gestern wollte ich grad mit dem Mähen in meinem Garten beginnen – dann aber kam Hanspeter Rederlechner mit den Essensbons, die er in den Lokalen eingesammelt und bezahlt hatte.

Das Gras in Ihrem Garten muss sehr hoch sein …
Und als Hanspeter kam, habe ich den Mäher gleich wieder abgestellt. Dabei war ich das erste Mal in diesem Jahr im Garten! Den Gemüsegarten lass ich wohl verwildern, denn jetzt gehen die Mohnblumen darin auf. So verwildert ist es ja auch schön. Die dunkelblauen Akeleien, die roten Pfingstrosen, die weissen Margeriten … Jetzt aber geht es um Prosa: um den Mietvertrag fürs neue Büro zum Beispiel. Und um die Zwischenbilanz für die GV Anfang Juli.

Und dann: das grosse Loslassen?
Loslassen? Vorerst das grosse Aufräumen! Die letzten vier Jahre bin ich nicht mehr dazugekommen, alles ordentlich zu archivieren, weil die Arbeit immer grösser wurde: Autorenverträge, Manuskripte, Fotos, Belege, Buchhaltung … Und dann müssen ja auch die restlichen dreissig Jahre Archivmaterial gezügelt werden: Die ältesten Sachen sind im Estrich. Dort hinauf, auf die Leiter, schicke ich dann aber meine Tochter.

Es wird also bei Ihnen zu Hause erstmals nach 34 Jahren auch für andere Sachen Platz haben?
Das werde ich dann wohl gegen Ende Jahr zu spüren bekommen, wenn das Archiv aus Keller und Estrich und auch das Büro mehr oder weniger geräumt sind. In den Wochen vor den Literaturtagen waren jeweils auch Küche, Stube und Korridor überstellt. Bevor wir abends essen konnten, musste ich am Küchen- oder Stubentisch ein Plätzchen freischaufeln.

Reden wir über die Zukunft! Haben Sie neue Projekte?
Projekte! Alle Journalisten fragen mich danach! Mit 66 musst du also noch Projekte haben. Peter Bichsel antwortete kürzlich auf diese Frage: «Ich bin 77, das ist meine Antwort.» Doch Züsi Born und ich haben ein Projekt: an den nächsten Literaturtagen gemeinsam Lesungen besuchen!

Und Visionen?
Sicher will ich mithelfen, dass das Archiv der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, vielleicht auch in thematischen Ausstellungen. Als Vorstandsmitglied werde ich mit garantieren, dass die Literaturtage weiterhin ein Forum fürs aktuelle Literaturschaffen in der Schweiz bleiben. Vor kurzem haben wir deshalb den Verein der Solothurner Literaturtage geöffnet, sodass jedefrau und jedermann Mitglied werden kann.

Und dann schwebt mir immer noch ein Büchermagazin vor, in der das Wichtigste, das in diesem viersprachigen Land literarisch geschrieben wird, anständig rezensiert wird. Es ist ja leider so, dass in den hiesigen Feuilletons praktisch nur noch internationale Bestseller besprochen werden. Von den Neuerscheinungen aus der Schweiz, die ich zweimal jährlich auf unserer Hausseite www.literatur.ch aufschalte, werden nur ganz wenige Titel seriös besprochen.

Noch ein Traum lässt mich nicht los: ein Literaturhaus in Solothurn! Zwar mutiert das Städtchen jeweils übers Auffahrtswochenende zur Literaturhauptstadt der Schweiz, doch während der restlichen 362 Tage ist nicht viel davon zu spüren. Warum also nicht ein Literaturhaus, das übers ganze Jahr offen ist? Ein Haus mit einem Literaturcafé, einem Raum für Lesungen und Lesezirkel, einem stillen Lesezimmer, einer Schriftstellergastwohnung sowie auch mit dem Büro und dem Archiv der Solothurner Literaturtage? Von einem Literaturcafé habe ich schon Anfang der siebziger Jahre bei der Gründung der Genossenschaft Kreuz geträumt.

Und, sind Sie schon fündig geworden?
Auf der Suche nach einem neuen Büro haben Franco Supino und ich seit letztem Sommer verschiedene Häuser besichtigt. Wir waren schockiert über die Preise – und haben jetzt vorerst nur Büroräume gemietet. Zu hoffen ist, dass den Literaturtagen irgendwann so ein Haus geschenkt wird. Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich dafür alle Hebel in Gang setzen – und es vielleicht auch selbst betreiben. Für so etwas braucht es nämlich Pfupf: jemanden, der den Karren zieht.

Veronika Jaeggi (66) ist seit 1979 Geschäftsleiterin der Solothurner Literaturtage. 
Die 34. Ausgabe vom 18. bis 20. Mai 2012 war 
ihre Dernière. Auf Ende Juni übergibt 
sie ihr Amt Bettina Spoerri.