Kultour

Nr. 23 –

Theater

Käserei in der Vehfreude

Am lauschigen Dörflein Vehfreude ist die Zeit vorbeigeschrammt. In den umliegenden Dörfern wurden erfolgreich neue Käsereien aus dem Boden gestampft, die sich zünftig ins Geschäft mischen und sich gegenseitig die Milch von unterschiedlichster Qualität streitig machen. Die Käser jammern gehörig, und das bringt die Dorfgemeinschaft in Aufruhr. Der betrügerische Eglihannes hat überall den Fuss in der Tür, und das bärbeissige Eisi intrigiert auf allen Ebenen. Da scheint die zart keimende Liebe zwischen Anneli und Felix wie von einem anderen Stern zu sein.

Das Theater Marie und das Theater am Bahnhof Reinach haben sich den Roman «Die Käserei in der Vehfreude» von Jeremias Gotthelf (1797–1854) zur Brust genommen. Gunhild Hamer und Nils Torpus teilen sich die Regie. Sie haben die Handlung des 1850 geschriebenen Werks auf einen realen Bauernmarkt verlegt. Das Ensemble und die Musik spielen zwischen den Ständen, die traditionelle und regionale Produkte feilbieten. Vor und nach den Vorstellungen kann eingekauft werden, und während der Vorstellung wird auch noch tüchtig gekäst.
Fredi Bosshard

Theater Marie und Theater am Bahnhof «Käserei 
in der Vehfreude» in: Aarau Alte Reithalle, 
Fr/Sa, 8./9./15./16./22./23./29./30. Juni 2012, 20 Uhr; 
So, 10./17./24. Juni 2012, 17 Uhr. 
www.spieltraeume.ch / www.tab.chwww.theatermarie.ch

Lesung

Barbara Honigmann

Um Judentum und Identität geht es auch im neuen Roman von Barbara Honigmann. In «Bilder von A.» (2011) erzählt die 1949 in Berlin geborene Schriftstellerin die Geschichte einer jungen Frau, die sich erst langsam ihrer jüdischen Herkunft bewusst wird. Honigmanns Lesung im Zürcher Theater Neumarkt aus diesem Buch sowie auch aus «Damals, dann und danach» (1999), in dem sie den Zusammenhang von Judentum und Kommunismus im geteilten Deutschland thematisierte, bildet den Auftakt zur Tagung «Judentum und Judentümer. Wie viel Pluralismus erträgt das Judentum?» an der Universität Zürich. Die Tagung wird in Kooperation mit der Sigi-Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien sowie der Zeitschrift «Tachles» und dem Zürcher Lehrhaus veranstaltet.
Adrian Riklin

«Damals, dann und danach»: Lesung mit Barbara Honigmann in: Zürich Theater Neumarkt, 
So, 10. Juni 2012, 20 Uhr.

«Tagung: Judentum und Judentümer» in: 
Zürich Theologisches Seminar an der Universität, 
So–Di, 10.–12. Juni 2012. Tagungsprogramm: 
www.religionswissenschaft.uzh.ch

Ausstellung

Oh, Plastiksack!

Das Gewerbemuseum Winterthur feiert den Plastiksack. In allen Farben und Grössen hat er es zum Ausstellungsobjekt gebracht. Die neue Kuratorin Susanna Kumschick feiert mit den Säcken ihren Einstand und zeigt sie als Ikonen der Konsumgesellschaft. Im Plastiksack spiegelt sich Alltags- und Kulturgeschichte. Er ist praktisch, wetterfest und unverwüstlich. So unverwüstlich, dass er vielerorts zur Plage wird, Wälder und Strände verschandelt und die Ökologie aus dem Gleichgewicht bringt.

In der Ausstellung «Oh, Plastiksack!» ist aber auch zu sehen, wie vor allem junge Künstlerinnen und Designer den Sack in ihre Werke integrieren. Er findet seinen Platz in Installationen, Plastiken, Performances, Fotografien und Gemälden. Ryan Frank aus Südafrika knüpft aus Plastiktüten Stühle, und Ida-Marie Corell fertigte aus 500 Ikeataschen ein überdimensionales Kleid, das Teil ihrer Performance wird. Joseph Beuys hat dem Plastiksack bereits 1972 ein Denkmal gesetzt. Er war Teil seines Beitrags «Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung», der an der Documenta in Kassel zu sehen war.
Fredi Bosshard

«Oh, Plastiksack!» in: Winterthur Gewerbemuseum. Di–So, 10–17 Uhr; Do, 10–20 Uhr. Bis 7. Oktober 2012. www.gewerbemuseum.ch

Genetisch jüdisch

Im Rahmen der Ausstellung «Ein gewisses jüdisches Etwas» im Jüdischen Museum Hohenems (2011) hat sich die Zürcher Künstlerin Marina Belobrovaja mit der Frage nach der eigenen Identität auseinandergesetzt. Sie bezog sich dabei auf GenforscherInnen, die für ein Zürcher Unternehmen einen Test auf den Markt gebracht haben, der eine Klärung hinsichtlich der «ethnischen Identität» zu bringen verspricht. Die damit verbundene wissenschaftliche Grundannahme geht davon aus, dass es ethnische Gene wie etwa ein «slawisches» oder eben auch ein «jüdisches» geben soll.

Belobrovaja hat die Probe aufs Exempel gemacht und sich selbst einem solchen Test unterworfen. Was dabei herausgekommen ist, präsentiert sie nun in Hohenems. Ihre künstlerische Erkundung in Form von persönlichen Statements aus der Schweiz, Deutschland, Israel und der Ukraine mündete in der Kunstpublikation «The DNA Project» (Bucher Verlag Hohenems-Wien). Auf einem Monitor im Foyer des Museums sind bis Oktober Ausschnitte aus den Statements der verschiedenen GesprächspartnerInnen zu sehen.
Adrian Riklin

«DNA-DAN-NAD-NDA-AND-ADN» in: Hohenems Jüdisches Museum, Do, 14. Juni 2012, 19.30 Uhr. 
Die aktuelle Sonderausstellung «Was Sie schon immer über Juden wissen wollten …» 
läuft noch bis 7. Oktober 2012. Di–So, 10–17 Uhr.
www.jm-hohenems.at

Ausstellung und Film

Indienforum

«Erst wenn alle Menschen gleichberechtigt sind, ist unser Leben erfüllt», singt eine Gruppe von Menschen. Sie werden noch viel zu tun haben – und sie sind daran: «Ahimsa – die Stärke von Gewaltfreiheit» ist ein Dokumentarfilm des Schweizer Regisseurs Karl Saurer, der den gewaltfreien Kampf indischer Kleinbäuerinnen und -bauern für ihr Land, ihr Wasser und ihre Rechte dokumentiert. Im Zentrum stehen die Basisbewegung «Ekta Parishad» und deren Begründer, P. V. Rajagopal, der in Camps DorfvertreterInnen ausbildet, die ihr Wissen dann in ihre Dörfer tragen.

Saurers einstündige Dokumentation über den gewaltfreien Widerstand ist während gut zweier Wochen am Indienforum in der Grossen Reithalle in Bern zu sehen. Das Forum widmet sich dem Thema «Ungleichheiten». Eine Ausstellung zu sozialen und ökonomischen Ungleichheiten auf der Welt, eine interaktive Ausstellung, drei Installationen der Schweizer Künstlerin Nesa Gschwend und ein Forumcafé befassen sich mit dem Thema. Bei der interaktiven Ausstellung liegt der Fokus auf der «Nahrung». Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie in Südindien isst pro Tag 800 Gramm Reis, eine Aubergine, zwei Tomaten und vier Kartoffeln. Eine vierköpfige Familie in der Schweiz isst allein zum Zmittag ein Kilogramm Kartoffeln, einen Kopfsalat und zehn Cherrytomaten mit Salatsauce, 500 Gramm Spargeln, 180 Gramm Quark mit Mayonnaise und Schnittlauch und 150 Gramm Schinken.
Silvia Süess

Indienforum 12, «Ungleichheiten» in: Bern Reithalle, Grosse Halle, Fr, 8., bis So, 24. Juni 2012. 
www.grossehalle.ch

Film

Von der Küche ins Parlament

Es muss immer wieder gesagt werden: Die Schweiz war 1971 eines der letzten Länder, die das Frauenstimmrecht einführten. Da konnten die österreichischen Frauen schon 53 Jahre, die US-Amerikanerinnen schon 51 und die Italienerinnen immerhin schon 26 Jahre politisch mitbestimmen. Aus heutiger Sicht ist es unverständlich, dass noch vor 41 Jahren Männer wie auch Frauen in der Schweiz das Frauenstimmrecht bekämpften.

Der Dokumentarfilm «De la cuisine au parlement – Kinder, Küche, Politik» von Stéphane Goël ist ein kurzer historischer Abriss über die Frauen in der Schweizer Politik im 20. Jahrhundert. Goël hat aktuelle Interviewsequenzen mit Aktivistinnen von damals mit grossartigem Archivmaterial zusammengeschnitten. Da fallen Sätze wie: «Die Damen haben schon genug im Haushalt zu tun, da wäre es zu viel, wenn sie sich noch um die Politik kümmern müssten!» Oder: «Das Frauenstimmrecht ist der Stellung der Frau diametral entgegengesetzt», oder: «Meine Frau ist zu Hause. Wie es sich für Frauen gehört. Sie sind da, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern.»

Ein wichtiger Film, der einem wieder ins Bewusstsein ruft, dass die Welt vor 41 Jahren für die Frauen in der Schweiz eine ganz andere war.
Silvia Süess

«De la cuisine au parlement – Kinder, Küche, Politik» in: Bern Kino Cinématte, Fr/Sa, 8./9. Juni 2012, 19 Uhr und So, 17. Juni 2012, 20.30 Uhr. 
www.cinematte.ch