Urheberrecht (2): Medien: Lizenz zum Weiterverwursten

Nr. 26 –

Was wir in Zeitungen und auf Websites lesen, gehört oft nicht mehr den AutorInnen. So entstehen jene «Contents», die durch alle Kanäle gepresst werden können. Es ginge auch anders, etwa durch eine Regelung in einem Gesamtarbeitsvertrag wie in der Romandie.Von Nick Lüthi

Redaktionen sind keine Schraubenfabriken und Medien kein Produkt wie jedes andere. Das gilt auch bei der Herstellerdeklaration. Anders als bei Kleidern, Lebensmitteln – oder eben Schrauben – erfährt man von Medien selten bis nie, unter welchen Bedingungen sie entstehen. Vielleicht will das niemand wissen – schliesslich interessiert ja auch die meisten SchraubenkäuferInnen einzig, ob die Schraube hält. Doch bei einer Herstellerdeklaration spielt es keine Rolle, wie oft sie gelesen wird und wer sich dafür interessiert. Entscheidend ist, dass es sie gibt. Da geht es um Fairness und Transparenz: Den Medien mangelt es oft an beidem.

Wenn es sie gäbe, diese Herstellerdeklaration auf journalistischen Produkten, dann wäre da wenig Erbauliches zu lesen. Wie beim Gang durchs Gemüseregal würde man das eine oder andere Produkt wieder zurücklegen, weil es nicht vertretbar erscheint, eine solche Produktionspraxis zu unterstützen. Doch eine Beschwerde würde der Filialleiter schulterzuckend quittieren: Das sei notwendig fürs Geschäft und ausserdem branchenüblich.

«Übermässige Bindung»

Als «branchenüblich» bei den Medien schleicht sich immer mehr ein, dass JournalistInnen die Nutzungsrechte an ihren geschützten Werken vollumfänglich an den Verlag abtreten müssen.

Dafür erhalten sie zwar eine (vermeintlich) «angemessene» Entschädigung, verlieren aber die Kontrolle über ihre Arbeit. Die Abtretung des Urheberrechts verwandelt das ursprüngliche journalistische Produkt in einen charakterlosen «Content», der durch alle Kanäle gepresst und beliebig weiterverwurstet werden kann. Mit der Unterschrift unter den Anstellungsvertrag stimmen Medienschaffende auch zu, ihre Urheberrechte an künftigen, zum Zeitpunkt der Signatur noch inexistenten und unbekannten Nutzungen abzutreten. Egal, welche neuen Plattformen ein Medienunternehmen für geschäftsträchtig hält, die Rechte an den Inhalten dafür hat es sich bereits gesichert.

Während festangestellte Medienschaffende immerhin eine Entschädigung dafür erhalten, dass sie den Verlag mit Content alimentieren, sieht die Lage für freischaffende JournalistInnen düsterer aus. Von ihnen verlangen die AuftraggeberInnen gnädigerweise keine exklusive Abtretung der Urheberrechte. Sie können also ihre eigene Arbeit weiterhin auch selbst zu Markte tragen. In der Realität entpuppt sich das aber als eine Scheinfreiheit. Denn der Verlag sitzt am längeren Hebel, wenn es um die kommerzielle Weiterverwertung der Arbeit seiner freien MitarbeiterInnen geht.

Fortschrittliche Romandie

In einer Herstellerdeklaration auf journalistischen Produkten müsste in manchen Fällen stehen: «Dieser Artikel kann Spuren von übermässiger Bindung enthalten.» Hinweise auf eine «übermässige Bindung» gibt es deshalb, weil die Journalistin bei einer Vertragsunterzeichnung nicht abschätzen kann, was sie da genau unterschreibt, wenn die Abtretung der Urheberrechte auch für künftige und noch unbekannte Nutzungsformen gilt. Bisher hat in der Schweiz noch kein Gericht festgestellt, ob es sich bei der «branchenüblichen» Urheberrechtsabtretung um eine gemäss Vertragsrecht «übermässige Bindung» handelt. Stets konnten sich JournalistInnen und Verlage aussergerichtlich einigen – auch deshalb, weil die Verlage kein Interesse daran haben, einen Präzedenzfall zu schaffen.

Dass es auch anders geht, zeigt die Situation in der Romandie. Dort sieht die Sachlage für die JournalistInnen besser aus. Grund dafür ist eine kollektive Regelung der Urheberrechtsabtretung über einen Gesamtarbeitsvertrag. Das schafft Rechtssicherheit: Die Westschweizer Berufsverbände und Gewerkschaften müssen sich kaum mit Beschwerden wegen abgepressten Urheberrechten beschäftigen.

Wenn es schon keine Herstellerdeklaration gibt, dann kann sich die Konsumentin immerhin an die Geografie halten und sich bei der Lektüre von Westschweizer Zeitungen in einiger Sicherheit wiegen, den Urheberrechtsklau nicht zu unterstützen. Womit auch die «Branchenüblichkeit», mit der in der Deutschschweiz die unfaire Praxis legitimiert wird, widerlegt wäre. Ganz so üblich ist sie eben doch nicht.

Nick Lüthi war jahrelang Chefredaktor des Medienmagazins «Klartext» und ist jetzt Redaktionsleiter der digitalen «Medienwoche».