«Affengesellschaft»: Ab ins Unterholz

Nr. 38 –

Was wir allzu gern vergessen, wenn wir im Zoo, im Freilandgehege oder im Dschungel Affen begegnen, über sie staunen und lachen, uns von ihnen Bananen klauen lassen und mitunter nicht ganz sicher sind, wer sich hier über wen lustig macht, ist die Tatsache, dass wir selbst Teil jener biologischen Ordnung sind, der auch die Feuchtnasenaffen, Trockennasenaffen und Menschenaffen angehören: Wir alle sind Primaten. Im Grunde faszinieren uns, sagt die Primatenforscherin Julia Fischer, «die anderen Affen».

Fischer ist Professorin für kognitive Ethologie an der Universität Göttingen und am Deutschen Primatenzentrum. Wie Dian Fossey und Jane Goodall hat sie viel Zeit in freier Wildbahn verbracht. Um Affen zu beobachten. Darüber schreibt sie in ihrem eindrucksvollen Buch, das den schönen Titel «Affengesellschaft» trägt und spannende Einblicke in ihre Forschungsarbeit gewährt.

«Neugierige Berberaffen, kämpfende Bärenpaviane, scheue Guineapaviane»: Anschaulich beschreibt Fischer artspezifische Eigentümlichkeiten. Vor allem aber geht es um die vielgestaltigen Formen des Zusammenlebens ihrer Protagonisten. Sie erforscht die Ursprünge ihrer Intelligenz und weiss, dass Aufschlüsse über kognitive und kommunikative Fähigkeiten von Affen nur zu haben sind, wenn man sich mit der sozialen Organisation von Affengesellschaften beschäftigt. Eine beinahe (mikro-)soziologische Vorgehensweise, mit dem Unterschied, dass Affen nun mal nicht sprechen.

Wie wir Menschen lernen Affen von Vorbildern. Beim Wiedererkennen von ArtgenossInnen spielen Stimme und Aussehen eine entscheidende Rolle. Wer mit wem wie intensiv Umgang pflegt, hängt nicht zuletzt vom sozialen Status der Beteiligten ab. Überall versteckte Absichten zu vermuten, ist indessen eine menschliche Spezialität. Und wenn man liest, wie die zu beobachtende Affenhorde mal eben ins Unterholz flüchtet, um sich dann wochenlang nicht mehr sehen zu lassen, weiss man einmal mehr: Wer wenig Geduld hat, sollte besser die Finger von Affen lassen.

Julia Fischer: Affengesellschaft. Suhrkamp. Berlin 2012. 281 Seiten. 
Fr. 37.90