Kultour

Nr. 40 –

Film

Cinema Italiano

«Das Einfangen eines Bräutigams ist in Italien ein Nationalsport, bei dem die ganze Familie mitwirkt», soll der Schauspieler Marcello Mastroianni (1924–1996) einmal gesagt haben …
Im Zentrum des diesjährigen Tourneefestivals «Cinema Italiano» steht die Familie. Gezeigt werden vier aktuelle italienische Filme, die den Weg ins reguläre Kinoprogramm in der Schweiz leider nicht gefunden haben.
In «L’uomo che verrà» (Ein Mensch wird kommen) erzählt Giorgio Diritti eine Geschichte aus einem Dorf in der Nähe von Bologna im Jahr 1944: von der achtjährigen Martina, die seit dem Tod ihres kleinen Bruders nicht mehr spricht und erst, als ihre Mutter wieder schwanger ist, auftaut – bis kurz nach der Geburt SS-Einheiten mit ihrem Vergeltungsschlag starten.
In Gabriele Salvatores’ «Happy Family» sieht sich ein Drehbuchautor damit konfrontiert, dass seine Figuren ein Eigenleben entwickeln, mit dem Kinopublikum zu sprechen beginnen und eine bessere Rolle fordern. Komödiantisch ist auch «Into Paradiso» (Ins Paradies) der Mailänderin Paola Randi: Drei ganz unterschiedliche Männer werden per Zufall in eine Geschichte verwickelt und von Auftragskillern der Camorra verfolgt.
«Lo spazio bianco» von Francesca Comencini erzählt von der Lehrerin Maria, die nach einer flüchtigen Beziehung schwanger wird. Das Kind kommt zu früh zur Welt und kämpft im Spital ums Überleben. Maria muss warten.
Silvia Süess

«Cinema Italiano» in: Bern Kino Cinématte; Biel Filmpodium; Chur Kino Apollo und Kino Center; Frauenfeld Cinema Luna; Ilanz Cinema Sil Plaz; Solothurn Kino am Uferbau; St. Gallen Kinok; Zürich Filmpodium. 
www.cinema-italiano.ch

Fünfzig Jahre Kubakrise

Im Oktober 1962, als die Rivalität zwischen den USA und der Sowjetunion ihren Höhepunkt erreichte, entging die Welt haarscharf einem Atomkrieg.
Längst hat diese «Kubakrise» auch im Kino ihren Widerhall gefunden. Das St. Galler Kinok zeigt dazu im Oktober Spielfilme aus Kuba und aus den USA – von Stanley Kubricks «Dr. Strangelove or: How I learned to Stop Worrying and Love the Bomb» (1964) über Tomás Gutiérrez Aleas «Memorias del subdesarrollo» (1968) oder Alfred Hitchcocks «Topas» (1969) bis zur Schweizer Erstaufführung von Alejandro Brugués’ «Juan de los muertos» (2011). Der erste kubanische Zombiefilm hat keinen direkten Bezug zur Kubakrise – umso mehr aber ist er eine «respektlose Komödie, die sich so ziemlich über alles im heutigen Kuba lustig macht» (Geri Krebs). Im vergangenen Frühling lief der Film in ganz Kuba im normalen Kinoprogramm – zum Erstaunen vieler.
Adrian Riklin

«50 Jahre Kuba-Krise» in: St. Gallen Kinok; Premiere von «Juan de los muertos» 
am Sa, 6. Oktober 2012, 21.30 Uhr. 
www.kinok.ch

Theater

Die Schweiz in Konstanz

«Borderline», der Übertitel der neuen Spielzeit am Theater Konstanz, lässt auf Störungen schliessen. Im medizinischen Sinn handelt es sich um einen inzwischen modischen Überbegriff für Persönlichkeitsstörungen aller Art. Intendant Christoph Nix und seinem Team aber geht es um gesamtgesellschaftliche «Grenzlinien».
In Konstanz geht die Grenzlinie buchstäblich quer durch die Stadt: die KonstanzerInnen überschreiten sie auf dem Weg zur Tankstelle nach Kreuzlingen, die SchweizerInnen auf dem Weg zum Lago-Einkaufszentrum (und hoffentlich auch ins Theater).
Obwohl Konstanz und Kreuzlingen längst zusammengewachsen sind, ist die Grenze noch immer deutlich spürbar. Das soll sich ändern: Eröffnet wird mit Peter Handkes «Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten» – in der Dreispitzhalle in Kreuzlingen. Im November zeigt das Theater die Uraufführung von «Der Bären wilde Wohnung» (Arbeitstitel) des Schweizer Autors Lukas Linder, in dem es um das (gestörte) deutsch-schweizerische Verhältnis geht, im Februar folgt eine weitere Uraufführung des Werks eines jungen Schweizers: «Findlinge» von Daniel Mezger.
Am Samstag, 6. Oktober 2012, 17 Uhr, findet in der Dreispitzhalle ein Podium zum Verhältnis Schweiz–Deutschland statt.
Adrian Riklin

«Borderline» in: Konstanz Theater Konstanz; Saisoneröffnung mit Peter Handkes «Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten» in: Kreuzlingen Dreispitzhalle Fr, 5. Oktober 2012, 20 Uhr (Premiere). www.theaterkonstanz.de

Konzert

Beefheart’s Magic Band

«Trout Mask Replica», ein von Frank Zappa 1967 produziertes Doppelalbum, ist ein Meilenstein der Rockgeschichte. Auf dem Cover ist ein blauäugiger Forellenkopf vor himbeerrotem Hintergrund zu sehen. Hinter der Fischmaske verbirgt sich Don Van Vliet alias Captain Beefheart; der Mann mit der unverwechselbar knarrigen Stimme ist eine Woche vor Weihnachten 2010 – kurz vor seinem 70. Geburtstag – verstorben. Als Sänger ist er bereits 1982 verstummt, als bei ihm Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Er verlegte sich auf die Malerei und zog sich in die Mojave-Wüste zurück.
Vor gut zehn Jahren hat sich Matt Groening, der Schöpfer der Simpsons, an legendäre Konzerte der Magic Band erinnert und einige Bandmitglieder für ein Festival in Long Beach zusammengepfiffen. Einige wenige Konzerte in London, Amsterdam und Stockholm folgten.
John «Drumbo» French, Schlagzeuger der ersten Stunde, hat inzwischen den Gesangsstil von Beefheart so gut adaptiert, dass er nur noch bei den Instrumentaltiteln hinter den Drums zu finden ist. Mit dem Bassisten Mark «Rockette Morton» Boston und dem Slidegitarristen Denny «Feelers Reebo» Walley sind weitere Weggefährten von Beefheart dabei. Zusammen mit Eric Klerks (Gitarre) und Craig Bunch (Drums) lassen sie die Beefheart-Klassiker nochmals aufleben. Sie sind im Rahmen dieser Tour vielleicht zum letzten Mal live und so dicht am Original zu hören.
Fredi Bosshard

Captain Beefheart’s Magic Band in: Zürich Exil, 
Do, 11. Oktober 2012, 20.30 Uhr, mit DJ Veit Stauffer (RecRec). 
www.exil.cl

Flügelszenen in der Werkstatt

Die Werkstatt für improvisierte Musik (WIM) in Bern setzt sich in «Szene» und blickt mit einem Spezialprogramm auf ihre dreissigjährige Geschichte zurück. MusikerInnen wie die Pianistin Katharina Weber oder die Stimmperformerin Franziska Baumann, die über die Jahre immer wieder in der Werkstatt anzutreffen waren, sind am Jubiläum mit Projekten präsent, die über die Musik hinausgehen.
Weber tritt mit der Butohtänzerin Pia Maria in «Flügelszenen» auf, und Baumann bringt «Liquid Souls», ein Stück für vier Sängerinnen und inszenierte Bildräume, auf die Bühne. Der Posaunist Denis Beuret hat eine «Hommage à John Cage» konzipiert, und in «Aura» spielen Teresa Hackel (Blockflöte) und Virginia Arancio (Gitarre) Werke von Cage, Klaus Huber und anderen.
Fredi Bosshard

WIM in Szene in: Bern Dampfzentrale, 
Fr / Sa, 5. / 6. Oktober 2012, 19.30 Uhr. 
www.wimbern.ch / www.dampfzentrale.ch

Ausstellung

Buchner-Bründler-Bauten

Die Bauten des Basler Architekturbüros Buchner Bründler erregen Aufsehen. Die Wohnhäuser Chienbergreben in Gelterkinden und in Hertenstein sind einfache, kubisch gestaltete Skulpturen, bei denen der roh belassene Beton dominiert. Das Innere ist ebenso schlicht gehalten. Einbauten und Böden aus Holz kontrastieren mit den betonfarbigen Wänden und Decken, auf denen sich die Fugen der Schalbretter abzeichnen. Das schmale Wohnhaus am Bläsiring in Basel ist frech in eine Häuserzeile geschnitten. Es überragt die beiden anschliessenden zweigeschossigen älteren Häuser um zwei Stockwerke und ist von einer Dachterrasse gekrönt.
In der Ausstellung «Buchner Bründler Bauten» sind grossformatige Architekturmodelle ihrer Bauten zu sehen: eigentliche Miniaturen der Häuser, die unter Verwendung derselben Produktionsverfahren die ausgefeilten Raumkompositionen erahnen lassen.
Fredi Bosshard

«Buchner Bründler Bauten» in: Zürich ETH-Zentrum, Do, 4. Oktober 2012, Eröffnung und Buchpräsentation; Vortrag von Andreas Bründler und Daniel Buchner im Auditorium Maximum; Mo–Fr, 8–22 Uhr; Sa, 8–17 Uhr. Bis 1. November 2012. www.ausstellungen.gta.arch.ethz.ch