Fussball und andere Randsportarten: Alle überall über alles

Nr. 41 –

Pedro Lenz kritisiert seinen neuen Berufskollegen Ottmar Hitzfeld.

Die Sportwelt ist kompliziert geworden. Gab es bei Fussballspielen einst Aktive und Presseleute, so kann es heute sein, dass jemand beides zur gleichen Zeit ist. Ottmar Hitzfeld, Cheftrainer der Schweizer Fussballnationalmannschaft, zum Beispiel schreibt bekanntlich im Nebenamt für den «Blick» über sich und sein Fussballteam. Das ist fast schon ein bisschen so, als wäre Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in ihrer Freizeit auch noch Wirtschaftsredaktorin bei der NZZ oder Florian Ast People-Journalist bei der «Glückspost». Letzteres trifft in einem gewissen Sinn sogar zu, gehört es doch zu den Gewohnheiten des Ringier-Verlags, mit bedeutenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eng zusammenzuarbeiten.

Uns Sportfans kann es egal sein, ob Florian Ast einen bestimmten Teil der Presse exklusiv darüber informiert, welche junge Frau er gerade zum Weinen bringt oder ob er seinen Hund am Hals krault. Im Sportbereich dagegen muss zumindest ich mich noch daran gewöhnen, dass die klassische Rollenverteilung zwischen denen, die etwas tun, und denen, die dieses Tun von aussen kritisch verfolgen, aufgelöst wird. Interessanterweise scheint dies den meisten NeuberufskollegInnen von Ottmar Hitzfeld einerlei zu sein. Sie fragen den Nationaltrainer höchstens, ob ihn die neue Doppelrolle, also Fussballnationaltrainer und Lohnempfänger eines Verlagshauses, das sehr viel über Fussball berichtet, nicht belaste. Sobald Hitzfeld mit gewählten Worten erklärt, er könne die Aufgaben sauber trennen und er glaube, das Doppelmandat stelle für ihn kein Problem dar, ist das Thema in den Medien erledigt. Es ist, als wollten die Presseleute sagen: «Ottmar Hitzfeld geht es gut, also ist alles bestens.»

Als langjähriger Konsument von Sportereignissen und von Presseerzeugnissen interessiere ich mich jedoch höchstens am Rand dafür, wie es Hitzfeld bei seinem Spagat geht. Viel eher kümmert mich allerdings, wie es mir als Leser geht, wenn ich künftig die Geschichten von den gleichen Leuten erzählt bekomme, die sie inszeniert haben. Wenn bisher ein Fussballstar eine rote Karte gezeigt bekam, wurde diese rote Karte im Nachhinein von den Medien beschrieben und allenfalls bewertet. Macht aber das aktuelle Doppelmandat von Hitzfeld Schule, würden beispielsweise auch Schiedsrichter für die Medien arbeiten, und dann könnte auch eine rote Karte schon medial begleitet werden, bevor sie überhaupt gezückt worden ist.

Kauft eine Zeitung die ProtagonistInnen, über die sie berichtet, dann macht diese Zeitung die Ereignisse. Ringier kann künftig über seinen Mitarbeiter Hitzfeld Druck ausüben auf Hitzfelds anderen Arbeitgeber, den Schweizerischen Fussballverband. Hitzfeld kann Informationen gezielt nur dort streuen, wo er dafür bezahlt wird. Seine Abhängigkeit nimmt ihm die Möglichkeit zu entscheiden, wer von ihm welche Nachrichten zu welcher Zeit erhält. Von einer solchen Machtfülle profitieren vor allem die, die sie gekauft haben. Wir ahnungslosen MedienkonsumentInnen wissen derweil nicht mehr, wie die News, die wir uns einverleiben, überhaupt entstanden sind.

Wenn einer eine Nationalmannschaft anführt und gleichzeitig Lohnempfänger eines Grossverlags ist, geht es nicht mehr darum, ob er Ottmar Hitzfeld oder sonst wie heisst. Hitzfeld sei ein besonnener Mensch, höre ich allenthalben. Er wisse, dass sein Nebenjob beim Medienkonzern ziemlich heikel sei. Er werde seine Doppelrolle nicht missbrauchen. Das stimmt vielleicht sogar. Aber das beruhigt höchstens alle diejenigen, die gar nicht mehr wissen wollen, wer ihnen in den Medien wann und weshalb etwas erzählt oder nicht erzählt.

In den letzten Monaten ist es zum Brauch geworden, mit dem Finger auf jene Fussballer zu zeigen, die bei der Nationalhymne nicht laut mitsingen. Vielleicht wäre es an der Zeit, auf die zu zeigen, die ihre berufliche Glaubwürdigkeit verkauft haben.

Pedro Lenz, 47, ist Schriftsteller und 
lebt in Olten. Er singt noch immer keine Nationalhymnen.