Kommentar: U-Haft als vorgezogene Strafe

Nr. 46 –

Fünf Monate sass der 29-jährige P. in Basel in Untersuchungshaft. Am Montag dieser Woche wurde das Winterthurer Mitglied des Revolutionären Aufbaus freigelassen. P. hatte am 2. Juni an einer illegalen Party auf dem Basler NT-Areal teilgenommen, im Anschluss an das Fest kam es zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei. Der Politaktivist soll Polizisten angegriffen haben, die Anklage lautet auf einfache Körperverletzung, Angriff, Landfriedensbruch, Gewalt gegen Beamte und Hinderung einer Amtshandlung zum Nachteil von zwei Polizisten und – zum Teil – einem Staatsanwalt.

Anfang Oktober hatte die WOZ berichtet, dass auch ein Staatsanwalt in die Auseinandersetzung verwickelt war. Brisant daran ist, dass dieser in derselben Abteilung arbeitet wie die Staatsanwältin, die den Fall leitet (siehe WOZ Nr. 40/12 ). Der Rechtsanwalt von P. hat deshalb ein Ausstandsbegehren gestellt. Das Bundesgericht wird in den nächsten Wochen entscheiden. Sollte es die Staatsanwaltschaft als befangen ansehen, müssten die Ermittlungen von einem unabhängigen Staatsanwalt neu aufgenommen werden.

Egal wie der Entscheid des Bundesgerichts ausfällt: Die Justizbehörden hinterlassen im Fall P. keinen guten Eindruck. Die lange Haftdauer hat mehr den Anschein von Beugehaft als von gewissenhafter Untersuchung. Während der ganzen Untersuchungszeit wurde P. nur einmal verhört – und zwar kurz nach der Festnahme. Es scheint zudem, als hätte das langwierige Verfahren vor allem den Zweck der Abschreckung gehabt. Die Haftrichterin äusserte sich mit Blick auf die lange Haftdauer denn auch dahingehend, dass sich P. mittlerweile darüber im Klaren sein dürfte, dass seine Einstellung zur Gewalt Konsequenzen habe – auch beruflich. Immerhin musste das Zwangsmassnahmengericht zugeben, dass im Fall P. das sogenannte Beschleunigungsgebot verletzt worden ist.

Die Untersuchungshaft soll verhindern, dass Beschuldigte beispielsweise untertauchen oder die Ermittlungen behindern können. Im Fall P. allerdings wurde sie ad absurdum geführt. Die Untersuchungshaft diente als erzieherische Massnahme, als vorgezogene Strafe.