Erbschaftssteuer: Die Initiative hat es fast geschafft

Nr. 48 –

Für eine Umverteilung von oben nach unten müssen die vererbten Vermögen in der Schweiz besteuert werden.

Als der Kanton St. Gallen 1997 beschloss, die Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen abzuschaffen, wirkte das wie ein Fanal im Steuerwettbewerb. Zwar kennen die meisten Kantone weiterhin eine Erbschaftssteuer: Die Erbschaften von einer Generation zur nächsten sind heute aber überall von der Besteuerung ausgenommen. Für St. Gallen hat sich die Abschaffung nicht gelohnt, wie eine parlamentarische Anfrage rund zehn Jahre später zeigte. Mangels entsprechender Zahlen lasse sich nicht dokumentieren, ob durch den Zuzug von Reichen Mehreinnahmen «generiert werden konnten».

Beziffern liessen sich hingegen die Ausfälle: rund dreissig Millionen Franken pro Jahr. Im Kanton Zürich, wo die Steuer im Jahr 2000 abgeschafft wurde, betragen die Mindereinnahmen geschätzte 235 Millionen.

Der Verzicht darauf, die Erbschaften zu besteuern, verhindert die Umverteilung von oben nach unten. 2,6 Prozent der Bevölkerung besitzen die Hälfte aller Vermögen, wie der Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds festhält. Die Vermögen bringen auch ein Einkommen ohne Leistung mit sich, was zu einer Verzerrung der Chancengleichheit führt: Rund 4800 Steuerpflichtige – das vermögendste Tausendstel der Bevölkerung – verdienen durch die Gewinne aus ihrem Vermögen durchschnittlich rund 7000 Franken pro Tag.

Die Vermögen, die in den nächsten dreissig Jahren in der Schweiz familiär weitergegeben werden, sind gigantisch. Nach Hans Kissling, Autor des Buchs «Reichtum ohne Leistung», wird alle zwei Wochen jemand mehr als hundert Millionen erben. Linke und christliche Parteien sowie die Gewerkschaften haben deshalb eine Initiative für eine nationale Erbschaftssteuer lanciert. Sie soll jährlich drei Milliarden einbringen, zwei Drittel zweckgebunden für die AHV, ein Drittel für die Kantone. Vermögen sind erst ab zwei Millionen betroffen, der Steuersatz wird einheitlich zwanzig Prozent betragen, was im internationalen Vergleich tief ist. Aktuell sind 99 000 Unterschriften zusammen. Weit mehr als 100 000 Unterschriften sind willkommen, um der Umkehr in der Steuerpolitik Nachdruck zu verleihen.