Steuerpolitik: Ideologisch ins Verderben

Nr. 48 –

Kein anderer Kanton hat die Tiefsteuerpolitik zuletzt so weit vorangetrieben wie Luzern. Die Folgen sind verheerend. Doch langsam regt sich Widerstand.

Jahrelang gab es in Luzern immer nur Geschenke: Einkommen, Vermögen, Gewinne – in allen Bereichen sind die Steuersätze massiv gesenkt worden. Profitiert haben in erster Linie Personen mit einem hohen Einkommen und Unternehmen: Die Vermögenssteuer ist in einem Jahrzehnt von 6,4 auf 2,4 Promille gesunken, die zuvor schon tiefen Unternehmenssteuern sind halbiert worden und liegen mittlerweile flächendeckend unter sieben Prozent. Aus dem Kanton, der im Vergleich zu seinen Zentralschweizer Nachbarn lange als «Steuerhölle» galt, ist in einem Jahrzehnt ein wahres Steuerparadies geworden. Als das Stimmvolk vor drei Jahren einer erneuten Steuersenkung zustimmte, posierte Marcel Schwerzmann, der parteilose, FDP-nahe Finanzdirektor des Kantons, stolz vor einem blauen Ortsschild mit der Aufschrift: «Tiefste Unternehmenssteuer (LU)». Schwerzmann sagte damals: «Der Sinn einer Steuersenkung ist es schliesslich, dass man im Endeffekt mehr Geld einnimmt.»

Löcher in den Kassen

Die Realität dieser Tiefsteuerpolitik sieht ein bisschen anders aus: Der erwartete Ansturm von Reichen und finanzkräftigen Unternehmen blieb aus. Stattdessen reissen die Steuerausfälle riesige Löcher in die Kassen. Der Kanton will im nächsten Jahr fast 60 Millionen Franken sparen, 2014 sogar 112 Millionen Franken. Vor allem in der Bildung und beim Personal soll abgebaut werden. Besonders dramatisch ist die Situation in der Stadt Luzern, wo hohe Zentrumslasten anfallen. Allein im letzten Jahr hat die Stadt 24 Millionen Franken weniger Steuern eingenommen als 2007. Die Stadt musste in den letzten fünf Jahren Sparmassnahmen von 41,5 Millionen Franken umsetzen, ein weiteres Sparpaket in der Höhe von 4 Millionen Franken ist bereits beschlossen. Die Situation ist mittlerweile so prekär, dass die Stadtregierung den kommunalen Steuerfuss um 3,08 Prozent erhöhen will – erstmals seit dreissig Jahren. Am 16. Dezember stimmt die Stadtbevölkerung über die Steuererhöhung ab. Wird sie abgelehnt, muss die Regierung ein weiteres, 15 Millionen Franken grosses Sparpaket umsetzen.

«Wenn die Steuererhöhung abgelehnt wird, stehen wir vor einem Scherbenhaufen», sagt der SP-Grossstadtrat Daniel Furrer mit Blick auf das drohende 15-Millionen-Sparpaket. «Die Stadt hätte kein Geld mehr für die Kinder- und Jugendarbeit in den Quartieren, und die Beiträge an die Kinderbetreuung würden gestrichen.» Für Furrer ist die bürgerliche Strategie der Tiefsteuerpolitik gescheitert. «Es ist pure Ideologie zu glauben, dass die Steuern der Standortfaktor schlechthin sind, und entsprechend voll auf Steuersenkungen zu setzen.» Der Service public – gute Verkehrsverbindungen, ein vielfältiges Bildungsangebot, die Gesundheitsversorgung, bezahlbarer Wohnraum – spiele eine mindestens so grosse Rolle, so Furrer. Das sieht auch Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, so: «Der Einfluss der Steuerpolitik auf die Standortwahl wird überschätzt», sagt er. Gerade für Unternehmen sei die Steuerbelastung nicht der wichtigste Faktor. «Intakte Absatzmöglichkeiten und das Angebot an geeigneten Arbeitskräften sind wichtigere Faktoren», so Lampart. Statt dauernd und erfolglos die Steuern zu senken, wäre es für den Kanton Luzern viel sinnvoller, produktive Sektoren im Wirtschaftsbereich anzusiedeln und sich als Bildungsstandort weiterzuentwickeln.

Schmerzhafte Folgen

Der Ausgang der Abstimmung am 16. Dezember in der Stadt Luzern ist offen. Schmerzhaft werden die Folgen für die Bevölkerung unabhängig davon sein. Vor diesem Hintergrund regt sich langsam und endlich Widerstand gegen die Tiefsteuerpolitik der bürgerlichen Regierung. Am letzten Wochenende hat die Gewerkschaft VPOD zu einer öffentlichen Demonstration aufgerufen, Schülerinnen und Lehrer protestieren wahrnehmbar gegen die Sparmassnahmen im Bildungsbereich. Zugleich dämmert es zunehmend auch bürgerlichen PolitikerInnen, dass mit einer Tiefsteuerpolitik inmitten von Kantonen, die die gleiche Strategie schon viel länger verfolgen, im Endeffekt alle verlieren.