Villenwanderungen III: Wo die reichen Kerle wohnen

Nr. 48 –

Stäfa – Lutikon – Lützelsee – Spitzenwies – Rapperswil-Jona

  • Spitzenwies: Familie Diethelm weiss sich vor neugierigen Blicken zu schützen.
  • Eine schlichte Toreinfahrt lädt müde WanderInnen zum Verweilen.
  • Wie pures Gold spiegelt sich die Abendsonne im Garagenfenster.

Die strahlende Herbstsonne triumphiert über letzte Nebelschleier, als wir die Bushaltestelle Stäfa Mühlehölzli erreichen. Auf dem Panoramaweg über der Zürcher Goldküste wollen wir nach Jona wandern und hoffen, unterwegs einen Blick auf zwei Prachtstücke schweizerischen Milliardärswohnwesens zu stossen: die Besitztümer von Andy Rihs und Beda Diethelm. Gemeinsam mit Rihs-Bruder Hansueli stehen die Sonova-Gründer mit einem geschätzten Vermögen von 1750 Millionen laut «Bilanz» unter den 300 Reichsten zwar nur noch auf Platz 87 – in der Milliardärskultur grenzt das an Armengenössigkeit –, doch ihre Ländereien stammen ja aus besseren Zeiten.

Wanderung Stäfa – Lutikon – Lützelsee – Spitzenwies – Rapperswil-Jona
Stäfa – Lutikon – Lützelsee – Spitzenwies – Rapperswil-Jona: Strecke 10,9 km. Dauer ca. 3 Stunden. Höhenmeter rauf 180 m. Höhenmeter runter 288 m.

Von zwei Wegen, die vom Parkplatz am Mühlehölzli abgehen, wählen wir den links gelegenen über den Grat. Erst ansteigend, führt er rund eine halbe Stunde durch lichten Wald und ist mit gut sichtbaren Wanderwegsymbolen gekennzeichnet. Ein Teersträsschen überquerend, gelangen wir schliesslich in offenes Gelände und sehen in die traumhafte Weite über dem Zürichsee bis hinüber zum Glärnisch.

In Lutikon am Lützelsee bewundern wir das prachtvoll bemalte Egli-Haus aus dem 17. Jahrhundert , schäkern mit fröhlich meckernden Zicklein und freuen uns beim Buurehoflädeli mit der jungen blonden Bäuerin und ihrem pausbackigen Buben am Sonnenschein. Weil das nächstgelegene WC zum Restaurant auf der gegenüberliegenden Seeseite gehört und wir vor Sonnenuntergang bei den Latifundien sein wollen, verkneifen wir uns derlei Bedürfnisse und lassen den Lützelsee links liegen.

Keine fünfzehn Minuten später, der Lützelsee ist immer noch schräg hinter uns zu sehen, erreichen wir das erste Ziel: Inmitten sattgrüner Wiesen, auf denen wohlgenährte Schafe grasen, leuchten die Fenster eines feudalen Anwesens bernsteinfarben in der Nachmittagssonne. Wir können uns kaum sattsehen, bis mein Begleiter entdeckt, dass dort der portugiesische Nachbar wohnt. Das rihssche Domizil ist – wie es dem Schweizer Naturell entspricht – der gepflegte, doch bescheiden wirkende weisse Flachbau daneben . Für Homestorys empfängt Herr Rihs in seiner Villa in der Provence.

Gern würden wir verweilen, doch die Sonne steht schon tief. Den Wegweisern nach Jona folgend, versinken wir immer wieder im grossartigen Blick über See und Alpen. Beim Abstieg erreichen wir die Balmstrasse, durchqueren das Gelände des Behindertenwohnheims Balm mit Gärten, Tiergehege und Café und sind schliesslich am Ziel, der Siedlung Spitzenwies, die direkt für die «Truman Show» gebaut scheint. Hier soll Milliardär Diethelm wohnen?

Doch erst nach den letzten Häusern zeigt eine freundliche Nachbarin auf hohe Bäume in der Ferne. Hinter einer weiteren Kurve erweist sich zunächst das, was wir fürs gesuchte Haus halten, als sechstürige Garage, an die sich, so weit das Auge reicht, eine mannshohe weisse Mauer anschliesst, nur unterbrochen von zwei hermetisch verschlossenen Eisentoren, dahinter hohe, dichte Nadelbäume . Erst von der Seite her erhaschen wir durchs Gebüsch ein paar Blicke auf Häuser und Gartenanlage, laut Internet bestehend aus «ovalem Swimmingpool, Ökonomiegebäude, Reitplatz und verschiedenen Weihern». Alles wirkt verlassen, auf Gartengestühl liegt melancholisch das Herbstlaub. Selbst vom gegenüberliegenden Weinberg herunter, mit betörender Sicht auf See und Sonnenuntergang, gelingt kein Blick übers diethelmsche Gehölz. Schweizer protzen nicht.

Müde, aber zufrieden nehmen wir an der Haltestelle Spitzenwies den Bus nach Rapperswil und geniessen im Altstadtrestaurant Bierhalle § 11 bei der liebenswürdigen Frau Kundert einen währschaften Znacht.

Hinfahrt: Von Zürich mit der S7 bis Stäfa, Bus 950 bis Mühlehölzli
Rückfahrt: Bus 994 zum Bahnhof Rapperswil oder Bahnhof Jona
Ausrüstung: Turn- oder Wanderschuhe
Niveau: einfach, bis Balmstrasse markierte Wanderwege