Public Eye in Davos: Verschmutzen und tricksen

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Jedes Jahr vergeben Nichtregierungsorganisationen am Rand des Weltwirtschaftsforums (Wef) Schmähpreise an Konzerne. Der Publikumspreis der sogenannten Public Eye Awards geht diesmal an den Erdölkonzern Shell.

Während neunzehn Tagen konnte online abgestimmt werden. Am Mittwoch war es klar: Den Publikumspreis der Public Eye Awards für das übelste Unternehmen des Jahres hat mit grossem Abstand der britisch-niederländische Energiekonzern Shell gewonnen.

Shell gehört zu den ersten Erdölkonzernen, die vom Meeresgrund der Arktis Öl fördern wollen. Bereits fünf Milliarden US-Dollar hat das Unternehmen in entsprechende Projekte investiert. Dabei warnen UmweltschützerInnen seit Jahren vor den verheerenden Folgen, die ein Unfall hätte. Denn in den eisigen und stürmischen Gewässern der Arktis lässt sich eine Ölverschmutzung kaum bekämpfen.

Wie gefährlich die Arbeiten in dieser Region sind, zeigt ein Vorfall, der sich über die Neujahrstage ereignete: Während eines Sturms hatte sich die Shell-Bohrinsel Kulluk, beladen mit einer halben Million Liter Dieselöl, vor der Südküste Alaskas von einem Schleppschiff losgerissen. Eine Ölpest konnte nur dank des Grosseinsatzes von Rettungskräften abgewendet werden.

Profit dank Pleite

Am zweitmeisten Stimmen heimste die US-Bank Goldman Sachs ein, die ihre Geschäfte weniger exponiert als Shell abwickeln kann – allerdings mit nicht weniger weitreichenden Folgen. Der US-amerikanischen Bank wird aktuell vorgeworfen, dass sie griechischen PolitikerInnen nach der Jahrtausendwende half, mit dubiosen Finanztricks das Defizit des Staates zu schönen, und dafür Hunderte von Millionen US-Dollar kassierte. Gleichzeitig habe die Bank auf den internationalen Finanzmärkten gegen Griechenland gewettet, was der Bank nochmals grosse Gewinne einbrachte.

Der «Vampir des Finanzkapitals», wie das Geldinstitut oft genannt wird, ist wie kaum eine zweite Bank mit der Politik verflochten. Goldman-Sachs-Leute haben massgeblich dazu beigetragen, dass die Finanzindustrie in den neunziger Jahren dereguliert wurde und jene verheerende Wirkung entfalten konnte, die sich in der Finanzkrise von 2008 offenbarte.

Welches Unternehmen den Preis der Fachjury gewonnen hat, wird am Erscheinungstag dieser WOZ-Ausgabe an einer Pressekonferenz im Kirchgemeindehaus von Davos bekannt gegeben. Die Public Eye Awards werden von der Erklärung von Bern und seit ein paar Jahren auch von Greenpeace getragen. Die Vorschläge für die Nominationen stammen zumeist von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Kampagnen gegen ein betreffendes Unternehmen führen. Ein ExpertInnenteam entscheidet, welche Vorschläge in die engere Auswahl kommen. Die Schmähpreise würden die Aufmerksamkeit für die NGO-Kampagnen steigern, sagt Public-Eye-Sprecher Ives Zenger. «Wir versuchen auch immer, die Preise den betreffenden Firmen direkt zu übergeben.» Letztlich könne Public Eye dazu beitragen, den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, damit sie ihre Geschäftspraktiken ändern.

Auch Schweizer Firma nominiert

Neben Shell und Goldman Sachs stehen auch der südafrikanische Bergbaukonzern Lonmin, der Sicherheitskonzern G4S, Alstom, Coal India und das Bündner Energieunternehmen Repower auf der Liste.

Lonmin erlangte 2012 traurige Berühmtheit, als das Unternehmen auf streikende Arbeiter schiessen liess. G4S gilt als die «grösste Privatpolizei der Welt» und soll in diversen Ländern an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sein. Der französische Alstom-Konzern ist derzeit in verschiedene Korruptionsskandale verwickelt. Coal India ist das weltgrösste Kohleförderunternehmen. Der staatliche Konzern aus Indien trägt nicht nur bedeutend zum Klimawandel bei, sondern zerstört mit seinen Minen auch die Lebensgrundlage vieler UreinwohnerInnen Indiens.

Repower schliesslich, das sich des «verantwortungsvollen Umgangs mit der Mitwelt» rühmt, will gegen den breiten Widerstand der Bevölkerung und der Lokalregierung in Saline Joniche im italienischen Kalabrien ein klimaschädigendes Kohlekraftwerk bauen. Der absehbare jährliche CO2-Ausstoss wäre sechsmal höher als die Menge, die derzeit der ganze Kanton Graubünden verpufft (siehe WOZ Nr. 47/11 ).