Medientagebuch: Für Scherze ungeeignet

Nr. 11 –

Rainer Schwarz übersetzt einen wichtigen Erlass in China.

«Das Propagandaministerium gibt bekannt: zehn Punkte, auf die bei Berichten in der Zeit der Zwei Konferenzen zu achten ist [in Beijing tagen derzeit, wie jedes Jahr im März, der Nationale Volkskongress und die Politische Konsultativkonferenz, R. S.]:

1. Berichte zur [derzeitigen Diskussion über die] Offenlegung der Vermögensverhältnisse von Regierungsbeamten dürfen in der Zeit der Zwei Konferenzen ausnahmslos nicht erscheinen, nicht kommentiert und nicht an ausländische Medien weitergeleitet werden.

2. Während der Zwei Konferenzen müssen Berichte über den Aufstand in der Provinz Shaanxi und andere ‹Massenvorkommnisse› zunächst dem Propagandaministerium vorgelegt werden, anschliessend ist entsprechend den Vorgaben zu berichten.

3. Alle Medien haben vorläufig ihre Arbeit zu [Themen aus] anderen Landesteilen einzustellen.

4. Es ist verboten, Informationen über jegliche Art von Antikorruptionsanstrengung zu verbreiten, wenn diese nicht zuvor von den lokalen Parteidisziplinarkommissionen bestätigt worden sind.

5. Die Anzahl negativer Nachrichten auf den Titelseiten ist zu reduzieren, Anfragen des Büros für Internetinformationen sind unverzüglich umzusetzen, Schwerpunkt ist der richtige Umgang mit dem Social-Media-Angebot.

6. Die Mikroblogs von Angestellten in der Medienbranche dürfen keine politisch schädlichen Informationen verbreiten. Was Medienbesitzer, Journalisten und Mikroblogredaktoren schreiben, repräsentiert ihre Arbeitseinheit.

7. Über [informelle] Kontakte innerhalb der Führung soll nur wenig berichtet werden, über Lei-Persönlichkeiten oder Lei-Aussprüche der Vertreter der Ständigen Ausschüsse soll gar nicht berichtet werden [Lei Feng (1940–1962) war ein Soldat und ist das offizielle Vorbild für Selbstlosigkeit. Wenn nun etwa der Delegierte Fu Chengyu, Chef eines staatlichen Ölkonzerns, sagt, seine Manager könnten sich auch alle keine Wohnung und kein Auto leisten, dann kommt das bei der Bevölkerung nicht gut an, weil es niemand glaubt]. Auf den Zwei Konferenzen gehaltene Reden eignen sich nicht für Scherze, in den Berichten sollen mehr Vertreter der unteren Hierarchieebenen und einfache Komiteemitglieder zu Wort kommen.

8. Quelle für Mikroblogmeldungen sind die mächtigen Medien [etwa das Zentralfernsehen CCTV, die Agentur Neues China], die Berichte müssen sich [der dort vertretenen Richtung] in befriedigendem Umfang anschliessen.

9. ‹Von Lei Feng lernen›-Berichte dürfen nicht in die falsche Richtung laufen, da dies einen schlechten Einfluss hätte. [Ein solcher ‹Bericht› wäre zum Beispiel: Ein alter Mann fällt auf der Strasse um. Ein Passant will ihm wieder auf die Beine helfen. Da kommt Lei Feng und warnt den Passanten: Bei den jetzigen Verhältnissen könnte es sich bei dem alten Mann sehr wohl um einen Trickbetrüger handeln.]

10. Bei Berichten über die Atmosphäre, die Arbeitsweise und die Teller-leer-essen-Kampagne soll das Hauptaugenmerk auf den neu erzielten Erfolgen liegen, dabei muss aber das rechte Mass gewahrt bleiben. [Die Teller-leer-essen-Kampagne gegen einen verschwenderischen Lebensstil tauchte am 16. Januar im Mikroblog von Xu Xiake, dem Vizeredaktionsvorsitzenden des Magazins ‹Nationale Ressourcen›, erstmals auf. Eine Woche später wurde in den landesweit ausgestrahlten CCTV-Abendnachrichten darüber berichtet.]»

Rainer Schwarz schreibt für die WOZ 
aus China.