Porträt: Damit das Obst nicht an den Bäumen verfault

Nr. 14 –

Technik und Ethik sind die grossen Themen des Ingenieurs Thomas Wieland. Gegen die Verschwendung von Energie und Nahrung erfindet er Geräte wie das Polentamahlvelo oder den Restwärmedörrapparat.

«Ich träume nicht davon, die perfekte Maschine zu erfinden», sagt Thomas Wieland. «Es mangelt ja nicht an technischem Fortschritt.» Dem Elektro- und Umweltingenieur geht es vielmehr um ungewohnte Kombinationen: «Ich setze Bestehendes neu zusammen, wie ein Puzzle.»

Das grösste Puzzle, das Wieland bisher zusammengesetzt hat, besteht aus einer Solaranlage, einem Wärmetauscher aus einem alten Automotor, dicken Rohren und einem Dörrapparat. Die Idee dahinter war simpel: Im Sommer verpuffte die Wärmeenergie der Solaranlage auf dem Dach des Bauernhauses, in dem Wieland wohnt, ungenutzt. Warum diese Energie nicht brauchen, um Früchte und Gemüse zu dörren?

Er beginne nicht mit einem Plan, sagt der 39-Jährige, «sondern wenn mich etwas berührt». In diesem Fall gaben ihm die vielen Äpfel und Birnen zu denken, die rund um seinen Wohnort Thörishaus bei Bern an den Bäumen verfaulten. Inzwischen landen sie im Dörrapparat, genauso wie das Gemüse, das er anbaut. Die Ernte war so reichlich, dass er das Gedörrte unter der Marke Gmüesesel auch verkauft.

Die Dörranlage hat Wieland zusammen mit dem Maschineningenieur Thomas Utzinger entworfen. Genauso wie das Velo, das Strom produziert und im Frühling 2011 im Anti-AKW-Camp vor dem Berner Stromkonzern BKW zum Einsatz kam. «Das ist eine Spielerei», relativiert Wieland. «Es zeigt, wie wenig Energie Menschen produzieren können.»

An ein weiteres Velogestell hat er eine Getreidemühle angeschlossen: Damit mahlt er den selbst angebauten Polentamais. Rote und gesprenkelte Kolben liegen in seiner Dachwohnung auf dem Tisch. Auch sein nächster Plan steht schon: «Ich finde es verrückt, den Leuten in einem Fitnesscenter zuzuschauen … diese Energie müsste man doch transformieren!»

Die eigenen Abgründe

Kann Technik die Welt retten, Thomas Wieland? Der gross gewachsene Berner zitiert den Philosophen Paul Watzlawick: Der moralische Fortschritt hinke dem technischen weit hinterher. «Darum rettet Technik die Welt überhaupt nicht. Aber wenn man den ethischen Rückstand aufholen könnte, sähe es vielleicht anders aus.»

Technik und Ethik: Für Wieland lässt sich das eine nicht ohne das andere denken. «Die Menschen mussten ihre Bedürfnisse immer ihrer Umwelt anpassen. Im fossilen Zeitalter können wir die Umwelt unseren Bedürfnissen anpassen – für eine Weile. Das gibt unserem Egoismus unglaublich Schub.»

«Egoismus» ist ein Wort, das er oft braucht. Schlechter als anderen gelingt es ihm zu verdrängen, was eigentlich alle wissen: dass reiche NordländerInnen auf Kosten armer SüdländerInnen und späterer Generationen leben. Er will es auch gar nicht verdrängen: «Wir müssen die eigenen Abgründe anschauen.»

Die ungleiche globale Entwicklung beschäftigt ihn: Die einen leben so hoch technisiert, dass sie den Bezug zu ihren Lebensgrundlagen verloren haben, die anderen schuften mit der Hacke in der Hand. Wieland hat die Vision eines Mittelwegs: Technik so zu brauchen, dass sie allen ein gutes Leben ermöglicht – «aber mit Kontakt zur Materie. Mehr Arbeit mit den Händen, ohne dass alles Subsistenz werden muss. Gute, sinnvolle Arbeitsplätze.»

Protest in der Jurte

Dreimal in der Woche radelt Thomas Wieland zur Arbeit im Berner Inselspital. Auch dort geht es um Technik im Dienst der Menschen. Begeistert erzählt er von den Implantaten, die Gehörlosen dank elektronischer Stimulation des Hörnervs das Hören ermöglichen. Wieland ist für die Feineinstellung der Implantate zuständig. Er hat auch schon in China Druckmaschinen installiert, beim Solarpionier Josef Jenni gearbeitet und als Katechet KonfirmandInnen unterrichtet.

Wieland heizt mit Holz aus dem nahen Wald, benutzt im Winter den Balkon als Kühlschrank und will die Selbstversorgung noch ausweiten. Doch wieder relativiert er: «Verglichen mit dem Schweizer Durchschnitt ist mein ökologischer Fussabdruck sicher gut. Aber global sieht es anders aus. Auch ich lebe in einem System, das die Ausbeutung fördert.»

Als er vor einigen Jahren von einer langen Velotour durch die Mongolei zurückkam, fand er den Überfluss in der Schweiz unerträglich. Er konnte über nichts anderes mehr reden, zog in eine Jurte am Waldrand. «Meine Protestphase», sagt er heute. Inzwischen hat er wieder Freude daran, Dinge zu tun, die er sinnvoll findet und die vielleicht andere zum Denken anregen.

Wieland meint es ernst – aber er wirkt nie verbissen oder fanatisch. Der Bezug zum Konkreten, den er für heilsam hält, hilft ihm auch selber. Und dann gibt es auch noch die Musik. Er spielt Klavier, war im Vorkurs für die Jazzschule. Und er hat angefangen zu singen: auf dem Velo, auf dem Weg zur Arbeit, «gäng wie meh».