Sozialhilfe: Hilfe für rechte Renitente

Nr. 16 –

Die Tonlage bleibt scharf in der Renitentendebatte. Aktuell geht es um «Schmarotzer Beat» und die Skos, die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe.

«Schmarotzer Beat», so nennt der «Blick» den jungen Mann aus Berikon AG, der nicht arbeiten möchte. Berikon hat Beat deswegen vor zwei Jahren die Sozialhilfe gestrichen. Der junge Mann nimmt sich einen Anwalt, prozessiert gegen die Gemeinde und gewinnt vor Bundesgericht.

In einem Interview sagt danach Skos-Präsident Walter Schmid: «Auch schwierige Menschen haben Anrecht auf Sozialhilfe. Die Haltung des Bundesgerichts ist richtig.» Diese Aussage erzürnt diverse Gemeinden. Unter Getöse kündigen sie an, aus der Skos auszutreten.

Sie argumentieren, die Mitgliedschaft bei der Skos sei «problematisch, weil es sich um einen privaten, genauer gesagt parastaatlichen Verein» handle.

Die Skos ist tatsächlich ein Verein, dem Kantone, Städte, Gemeinden, Bundesämter, aber auch private Institutionen angehören. Die Skos wuchs aus der Schweizerischen Armenpflegekonferenz heraus und bemüht sich, die Fürsorge schweizweit zu koordinieren. Laut Verfassung ist die Sozialhilfe nämlich Sache der Kantone – es sollte aber nicht sein, dass man je nach Kanton oder Gemeinde völlig unterschiedlich behandelt wird. Die Skos gibt deshalb Richtlinien heraus. Die besagen zum Beispiel, dass eine mittellose Einzelperson Anspruch auf monatlich 986 Franken hat – damit muss sie Lebensmittel, Kleider, Strom, Telefon und alle Fahrtkosten bezahlen (Miete und Krankenkasse übernimmt die Gemeinde). Luxuriös lebt sich damit nicht. Zudem muss sich keine Gemeinde zwingend an die Richtlinien halten. Doch wenn das Bundesgericht eine Gemeinde rügt, weil sie die Sozialhilfe zu Unrecht einstellte, dann muss sie sich fügen.

Das Bundesgericht ist allerdings nicht berühmt für seine Weichherzigkeit. Schon vor Jahren fällte es erste, streng disziplinierende Urteile. In einem Fall ging es um einen allein lebenden Mann, der sich weigerte, eine Arbeit anzunehmen. Seinem Betreuer sagte er laut Urteil: «Für die einfachen Arbeiten seien die Ausländer hier, er habe die Absicht, bis zu seiner Pensionierung Sozialhilfeleistung zu beziehen und den Staat für seine verfehlte Ausländerpolitik zu bestrafen; wenn er wollte, könnte er sehr schnell Arbeit finden.»

Das Bundesgericht entschied gegen den Mann. Das Fürsorgeamt hätte danach die Zahlung einstellen können. Hat es aber nicht getan. Zum Glück – wer will schon renitente SVP-AnhängerInnen mittellos auf der Strasse haben. Laut Verfassung müsste der Staat ohnehin spätestens dann wieder zahlen, besagt doch Artikel 12: «Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.»

Das Problem liegt anderswo. Es gibt kein Bundesgesetz, das die Fürsorge regelt. Das bräuchte es aber, um die föderalistische Willkür zu durchbrechen. Schon in den neunziger Jahren stand ein solches Gesetz zur Debatte, kam in den Räten aber nicht durch.

Zurzeit ist erneut eine Motion hängig, die ein «Rahmengesetz für die Sozialhilfe» fordert. Der Nationalrat hat sich bereits für die Motion ausgesprochen. Die Skos macht sich ebenfalls für ein Rahmengesetz stark, weil dadurch die Sozialhilfe endlich denselben Status erhalten würde wie die AHV oder die Invalidenversicherung.

Die Rechtsfreisinnigen und die SVP torpedieren allerdings den Vorstoss, weil sie die alleinige Fürsorgemacht den Gemeinden überlassen wollen.

Die Motion ist aber auch aus linker Sicht heikel: Das Rahmengesetz könnte zu einer Nivellierung gegen unten führen – weil man sich an den rigidesten und nicht an den grosszügigsten Gemeinden orientieren würde.

Klar ist: Etwas muss geschehen, damit SozialhilfebezügerInnen nicht mehr lokaler Willkür ausgesetzt sind. Wer Glück hat, lebt in einer liberalen Gemeinde und hat einen umgänglichen Sozialhilfebetreuer – wer Pech hat, lebt in einer rigiden Gemeinde, die hinter allen BezügerInnen potenzielle SchmarotzerInnen sieht, die stetig diszipliniert werden müssen. Das kann sich niemand wünschen, nicht einmal renitente SVP-AnhängerInnen.