Israel: Woche um Woche anstehen

Nr. 18 –

Ein Einwanderungsland, aber nicht für Flüchtlinge: Asylsuchende haben in Israel praktisch keine Chance auf eine Anerkennung.

Fadii Dicko (Name geändert) kommt gerade vom israelischen Innenministerium zurück. Ihre acht Monate alte Tochter quengelt, weil sie wenig getrunken hat. Fadii setzt sich auf ihr Bett und beginnt, ihr Baby zu stillen. Sie ruht sich aus. Jeden Montag muss die Malierin sich im Ministerium in Tel Aviv anstellen und bekommt einen Stempel in ihren Pass: Ihr Visum ist auch heute um eine weitere Woche verlängert worden.

Fadii kam vor etwa drei Wochen in Tel Aviv an. Die 23-Jährige wurde mit ihrem Baby aus einem israelischen Grenzgefängnis entlassen, weil sie einen Platz in einem Frauenhaus für Flüchtlinge bekommen hatte. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen setzte sich für sie ein. «Sie gaben mir ein Busticket nach Tel Aviv und liessen mich gehen», erzählt sie. Sieben Monate hatten die GrenzbeamtInnen sie im Gefängnis in der israelischen Wüste festgehalten.

Übernachten im Park

Heute leben etwa 60 000 Flüchtlinge in Israel. Viele kommen aus Eritrea, dem Südsudan und dem Sudan; sie sind überwiegend christlichen oder muslimischen Glaubens. Zu Hunderten leben sie jetzt auf den Strassen von Tel Aviv, schlafen in den Parks und auf Spielplätzen. Sie werden nicht offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Israel ist zwar Zufluchtsort für alle JüdInnen der Welt, doch offen für andersgläubige Flüchtlinge ist das Land nicht: Seit der Staatsgründung 1948 haben nur 157 Flüchtlinge Asyl erhalten.

Yohannes Bayu ist einer dieser 157 anerkannten Flüchtlinge. Der Äthiopier stellte 1997 einen Asylantrag und gründete später zusammen mit Israelis das African Refugee Development Center: «Ich dachte, ein Land wie Israel, in dem viele Menschen vor Verfolgung Zuflucht gefunden haben, kann mir als Asylsuchendem den besten Schutz bieten.» Seine Stimme klingt unaufgeregt, eher nüchtern. Über fünf Jahre zog sich das Ringen um seinen Aufenthaltsstatus hin. Schliesslich hat ihm der Oberste Gerichtshof Israels recht gegeben.

Entlang der südlichen Grenze zu Ägypten hat Israel vor kurzem einen elektrischen Zaun fertiggestellt, der die Flüchtlinge daran hindert, auf israelisches Territorium zu gelangen. Damit verstösst Israel gegen die internationale Flüchtlingskonvention, nach der sich Staaten verpflichten, Menschen, die vor Verfolgung fliehen, Schutz zu gewähren.

Kein einheitliches Asylverfahren

Flüchtlingen aus Eritrea und dem Sudan, die es nach Israel schaffen, wird häufig ein zeitlich begrenzter, kollektiver Schutz vor Abschiebung zugesprochen; es gibt aber bis heute kein einheitliches individuelles Asylverfahren. Flüchtlingsorganisationen haben für Israel eine Annahmequote von 0,2 Prozent errechnet. Zum Vergleich: In der Schweiz wurden 2012 nach Angaben des Bundesamts für Migration 11,7 Prozent der AsylbewerberInnen anerkannt und erhielten Asyl.

Auch Fadii hat einen Antrag auf Asyl gestellt. Sie floh vor etwa einem Jahr aus Gao im Norden Malis, weil ihr Mann ermordet worden war. Damals war sie im dritten Monat schwanger. «Ich bin zu Fuss losgelaufen.» Sie erreichte den Niger und kam von dort mit einem Jeep nach Libyen. Es sei nicht ihre Entscheidung gewesen, nach Israel zu kommen, erzählt sie. Nachdem sie in Libyen angekommen war, brachte eine Gruppe sie in den Sinai. Fadii war für insgesamt sieben Monate auf der Flucht. Ihre Tochter hat sie mitten im Sinai geboren – einzig ein Sudanese war bei der Geburt dabei: «Mir ist auf dem Weg nichts Schlimmeres passiert. Gott hat mich beschützt.» Sie und ihr Baby wurden an der Grenze vom israelischen Militär abgefangen und in das Grenzgefängnis gebracht.

Jetzt teilt sie sich im Frauenhaus im Süden Tel Avivs, das vom African Refugee Development Center geführt wird, ein Zimmer mit zwei Frauen und zwei Kleinkindern. Fadii will sich in der Stadt eine Arbeit suchen. Vielleicht, so hofft sie, kann sie in einer Handarbeitswerkstatt des African Refugee Development Center anfangen. Auch ihre Zimmernachbarin arbeitet dort.

Weiter in die Zukunft kann Fadii im Moment nicht planen, mit ihrem Visum für eine weitere Woche.

Anmahnung der USA

Das US-Aussenministerium veröffentlichte in der vergangenen Woche einen Bericht zu den Menschenrechtsverletzungen in Israel und den besetzen Gebieten, in dem es erstmals die Diskriminierung afrikanischer Flüchtlinge als eines der Hauptprobleme hervorhebt. In dem Bericht werden besonders die Versäumnisse Israels, ein einheitliches und individuelles Asylverfahren einzurichten, monatelange Inhaftierungen der Flüchtlinge und rassistische Äusserungen von RegierungsvertreterInnen kritisiert.