Kost und Logis: Tschutten und Schönsein

Nr. 18 –

Karin Hoffsten über jugendliche Berufswünsche.

Models mit ihrem zartgliedrigen Schweben und der langbeinigen Eleganz faszinierten mich schon, als sie noch Mannequins hiessen und nicht über den Catwalk, sondern auf Laufstegen schritten. Der Mädchentraum, ausschliesslich sinnentleerte Schönheit verkörpern zu wollen, ist nicht neu. Aus realphysischen Gründen musste ich mich damals aufs Bewundern beschränken, und als ich hörte, eine Freundin sei in Paris ein paar Monate «für Balmain gelaufen», frass mich der Neid. Doch für Modeschauen hab ich noch immer eine Schwäche. Kein Wunder, dass ich mich an einem der ersten frostfreien Frühlingsabende an die Lange Nacht der Mode in die Zürcher Innenstadt locken liess.

Das männliche Pendant zum weiblichen Traumberuf ist ja der Profifussballer. Folgerichtig verschmolz ein Modehaus die beiden Jobprofile für diese Nacht zur idealtypischen Synthese und schickte beide zusammen auf den Catwalk: Seite an Seite mit Spielern des Zürcher Grasshopper Clubs sollten Miss-Schweiz-Kandidatinnen die neue Frühlingsmode zeigen.

Das Konzept zog. Zwischen Hunderten eingeklemmt, zwängte ich mich über die Rolltreppe in den ersten Stock, überwand einen männlichen Kleiderschrank, der «Hier ist alles überlastet!» knurrte, und stand schliesslich zwischen über Cüplis kichernden Frauen fast in der ersten Reihe. Ich war zufrieden. Dass eine Verkäuferin hinter mir weniger zufrieden aussah, leuchtete mir ein. Immerhin, sagte sie auf meine Frage nach ihrem Befinden, würden dem Personal Überstundenzuschläge bezahlt.

Dann traten die erlesenen Paarungen auf. Die Mädchen lächelten verkrampft, die Fussballer schauten cool, und die VertreterInnen der Lokalmedien trampelten sich gegenseitig auf den Füssen herum. Die Frühlingsmode beachtete kaum jemand.

«Die sind aber klein!», bemerkte eine meiner fröhlichen Nachbarinnen mit Blick auf die jungen Männer. «Na ja, der Messi ist ja auch nicht gross!», versuchte ich zu fachsimpeln, worauf sie fragte: «Ist das ein Fussballer?» Wenn er in Form ist, schon, dachte ich. Nach zwanzig Minuten war es vorbei.

Auf dem Heimweg dachte ich darüber nach, dass MitarbeiterInnen einer Modelagentur kürzlich vor einer Stockholmer Klinik für Essstörungen magersüchtige Patientinnen werben wollten. Und dass viele Fussballerkarrieren schon früh beim Knieorthopäden enden.

Übrigens ist die Hälfte der Miss-Schweiz-Kandidatinnen dem Namen nach Seconda oder in ihrer Jugend eingebürgert worden. Bei den Schweizer Fussballspielern ist es nicht anders. Jetzt will der Nationalrat ja die Einbürgerungsregeln für Jugendliche verschärfen. Der Schweizer Fussballverband hat schon protestiert: Er fürchtet um den Nachwuchs. Da böte sich doch auch der Miss-Schweiz-Organisation die Gelegenheit, endlich mal was Vernünftiges zu tun.

Karin Hoffsten lebt in Zürich, schreibt 
für die WOZ und macht regelmässig Theater.