Kultour

Nr. 21 –

Festival

Bildrausch

Sie wolle einen Ausnahmezustand schaffen, sagte Nicole Reinhard von zwei Jahren, als sie gemeinsam mit Beat Schneider das Festival Bildrausch gründete. Ein Fest für den Film sollte das Festival werden – für Filme, die in den hiesigen Kinos kaum beachtet werden. Denn, so war die Leiterin des Stadtkinos Basel überzeugt: Im Rahmen eines Festivals würden diese ihr Publikum finden.
Und so war es. Sowohl das erste wie auch das zweite Bildrausch im letzten Jahr begeisterten. Klein und fein war das Filmfest jeweils – und es überzeugte mit spannendem Programm und engagierten Diskussionen.
Den Auftakt zum diesjährigen fünftägigen Ausnahmezustand macht der Film «Shirley. Vision of Reality» des Österreichers Gustav Deutsch. Der Filmemacher und Architekt erzählt anhand von dreizehn Gemälden Edward Hoppers formal radikal die fiktive Biografie der US-amerikanischen Schauspielerin Shirley. Sein Film ist im internationalen Wettbewerb programmiert, in dem zwölf Werke zu sehen sind.
Eine Spezialreihe widmet das Festival dem legendären sowjetischen «Tauwetter»-Regisseur Marlen Chuciev. Der 88-Jährige ist während des Festivals anwesend. Eine weitere Hommage gilt Amir Naderi, einem der einflussreichsten iranischen Filmemacher. Auch er wird in Basel zu Gast sein.
Silvia Süess

Bildrausch in: Basel Stadtkino, Kult.Kino Atelier, 
Mi, 29. Mai, bis So, 2. Juni 2013. www.bildrausch-basel.ch

Videoex

Sie gehörte Ende der sechziger Jahre zur New Yorker Kunstszene, arbeitete in Projekten mit Robert Rauschenberg und Claes Oldenburg, war Stammgast in Andy Warhols Factory und galt in den Augen vieler als schönste Frau der Stadt: Carolee Schneemann. Die US-amerikanische Pionierin des feministischen Kunstschaffens und Wegbereiterin der Performancekunst erregte 1975 die Gemüter, als sie ein feministisches Gedicht von einem Papierstreifen vorlas, den sie sich aus der Vagina gezogen hatte. Passenderweise nannte sie die Performance «Interior Scroll».
An der 15. Videoex, dem internationalen Experimentalfilm- und Videofestival, sind nun Schneemanns Filme zu sehen sowie «Breaking the Frame», ein experimentelles Porträt der Künstlerin von Marielle Nitoslawska. Weitere hochkarätige Künstler, deren Werke programmiert sind, sind Jean-Luc Godard, Chris Marker sowie David Lynch.
Gaststädte des Festivals sind Belgrad und Zagreb: In den sechziger und siebziger Jahren entstanden im damaligen Jugoslawien zahlreiche experimentelle Filme, die jedoch nicht gezeigt werden durften. Solche wie auch zeitgenössische Experimentalfilme aus Belgrad und Zagreb sind nun an der Videoex zu sehen. Und auch dieses Jahr gibt es einen nationalen und einen internationalen Wettbewerb sowie ein Rahmenprogramm mit Workshops (auch für Kinder), Live Acts und Diskussionen.
Silvia Süess

Videoex in: Zürich Kunstraum Walcheturm, Cinema Z3 (Kanonengasse 20), Sa, 25. Mai, bis So, 2. Juni 2013. www.videoex.ch

Wildwuchs

Verbots- und Gebotstafeln allüberall. Sei es der Befehl oder zumindest die eindringliche Bitte, jegliche Störung der Nachtruhe zu vermeiden; sei es der diskrete, dann aber doch erstaunlich rechtsgültige Hinweis, doch bitte das Rauchen selbst im Freien vor dem Bahnhofsgebäude zu unterlassen: Es stört sich so leicht in diesen Tagen.
Das Basler Theaterfestival Wildwuchs erweist seinem Namen die Ehre: «Wir stören!», warnen sie mit Ausrufezeichen. Die sechste Festivalausgabe interessiert sich für das «vermeintlich Störende» – und lenkt dabei den Blick auf das Ungewöhnliche, Verführende, Überraschende. Unter der neuen künstlerischen Leitung von Gunda Zeeb und Sibylle Ott erweitert das Festival seine programmatische Ausrichtung: Internationale Gastspiele und lokale Projekte forschen nach Geschichten rund um die Frage der Würde des Menschen und der sozialen Ausgrenzung. Wildwüchsig ist das Programm in weiterer Hinsicht: Weit über Theater und Tanz hinaus wuchert es – unter anderem mit «Störmobilen» – auch bildnerisch, literarisch, musikalisch und diskursiv durch die Stadt.
Adrian Riklin

Wildwuchs in: Basel Kaserne, Kasernenplatz und Roxy Theater Birsfelden. Fr, 24. Mai, bis So, 2. Juni 2013. www.wildwuchs.ch

Theater

Against

Eine Theaterproduktion zur Unterwanderung von Informationssystemen? Wie das vonstattengehen könnte, ist demnächst im Berner Schlachthaus-Theater zu erfahren. Inspiriert durch das von der EU finanzierte Forschungsprojekt Indect (Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment), an dem verschiedene polnische Hochschulen beteiligt sind, hat sich das Teatr Polski Bydgoszcz dem Thema der Überwachung im Internet gewidmet. Dafür hat sich die Truppe mit dem Schlachthaus-Theater zusammengetan und mit ihren KollegInnen aus der Schweiz ein Stück erarbeitet.
Am Anfang von «Against» steht Volker Birk auf der Bühne, ein real existierender Hacker und langjähriger Aktivist im Kampf für die Freiheit im Internet. Er berichtet aus erster Hand über die Gefahren von Indect und gibt dem Publikum Tipps, wie man sich beim Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln gegen Infiltrierung und Überwachung schützen kann. Das polnisch-schweizerische Ensemble entwickelt daraus ein tragikomisches Stück um Tarnung, Revolte und die Suche nach der letzten Privatsphäre. Der spielerische Reiz liegt im Spannungsfeld zwischen versteckten, vermummten oder virtuellen HackerInnen und den realen Körpern der PerformerInnen.
Die Regie hat der in der Schweizer Theaterszene bestens bekannte Nils Torpus übernommen; für die Dramaturgie zeichnet sein polnischer Kollege Pawel Sztarbowksi verantwortlich.
Adrian Riklin

«Against» in: Bern Schlachthaus Theater Fr/Sa, 24./25. Mai 2013, sowie Di bis Fr, 29. Mai bis 1. Juni 2013, jeweils 20.30 Uhr. www.schlachthaus.ch

Zirkus

Sack und Pack

Unterwegs sein: Für Zirkusmenschen ist das ein Dauerthema. Mit ihren Wohnwagen ziehen sie von Stadt zu Stadt, packen aus und ein, stellen auf, bauen ab. Lernen neue FreundInnen kennen und müssen bald wieder Abschied nehmen.
Der Zirkus Chnopf macht dieses Jahr das Unterwegssein zum Thema: «Sack und Pack» heisst das neue Programm, in dessen Zentrum zwei Strassenmusikanten sind. Diese stehen mit ihren Instrumenten auf der Strasse und schauen sehnsüchtig all den Reisenden nach, die es in andere Welten zieht. Werden auch sie es schaffen, ihre Koffer zu packen?
Seit nunmehr 25 Jahren präsentiert der Zirkus Chnopf poetisch-artistische Programme. Im generationenübergreifenden Projekt spielen professionelle Theaterschaffende wie auch Jugendliche. Die Truppe ist mit Wohnwagen und Zelt unterwegs und zieht mit «Sack und Pack» durch die Schweiz.
Silvia Süess

«Sack und Pack» in: Zürich Rote Fabrik, Sa, 25. Mai, 19 Uhr (Premiere), anschliessend Fest und ab 21 Uhr Konzert mit The Rich Man’s Kitchen Orchestra; So, 26. Mai 2013, 17 Uhr; Basel Park im Grünen, Sa/So 1./2. Juni 2013, jeweils 15.45 Uhr. 
Weitere Daten: www.chnopf.ch.

Ausstellung

André Thomkins

André Thomkins gehört zu den experimentierfreudigen Künstlerpersönlichkeiten, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiv waren. Der 1930 in Luzern geborene und 1985 in Berlin verstorbene Thomkins wurde vor allem durch sein zeichnerisches Werk bekannt. Für seine vielgestaltigen Arbeiten verwendete er auch Materialien aus dem Alltag wie Fotos aus Illustrierten, Lebensmittel und Fundstücke aller Art. Parallel nutzte er die tradierten künstlerischen Mittel und Techniken, setzte sie allerdings vorwiegend in neuen Zusammenhängen ein.
Im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz wird seit 2002 an der Aufarbeitung von Thomkins’ Nachlass gearbeitet. Aus einem Konvolut, das rund 6700 Werke umfasst, hat das KuratorInnenteam Dagmar Streckel und Friedemann Malsch die Ausstellung «Eternal Network» konzipiert. Neben bildkünstlerischen Werkgruppen finden sich auch wortkünstlerische Arbeiten, musikalische Versuche und zahlreiche Werke aus dem Nachlass, die bisher selten zu sehen waren.
Fredi Bosshard

André Thomkins, «Eternal Network» in: 
Vaduz Kunstmuseum Liechtenstein, Do, 23. Mai 2013, 
18 Uhr, Ausstellungseröffnung. Einführung: 
Dagmar Streckel, Kuratorin. Di–So, 10–17 Uhr; 
Do, 10–20 Uhr. Bis 15. September 2013. 
www.kunstmuseum.li