Missbräuchliche Entlassungen: Kündigungsgrund: Engagement

Nr. 21 –

Gewerkschaftsaktivist Hans Oppliger stand letzte Woche als Kläger in Sachen «Oppliger gegen Tamedia» vor Gericht.

Als Personalvertreter wurde Hans Oppliger schon für manchen Patron zum roten Tuch. Heute führt er einen juristischen Kampf: den um die Anerkennung, dass seine Entlassung im Jahr 2009 missbräuchlich war. Damals arbeitete er im Edipresse-Druckereizentrum von Bussigny, das heute Tamedia gehört. Zusammen mit rund hundert KollegInnen wurde er Opfer einer kollektiven Entlassung – Edipresse bereitete sich auf die Übernahme durch Tamedia vor.

Oppliger ist kein Einzelfall

Als Personalvertreter in der Pensionskasse von Edipresse wäre Oppliger eigentlich vor Entlassung geschützt gewesen. Der damals geltende Gesamtarbeitsvertrag in der Druckereibranche sah einen besonderen Schutz für GewerkschaftsaktivistInnen vor: Kein Personalvertreter konnte ohne vorherige Konsultation zwischen den Sozialpartnern entlassen werden. Dennoch entliess Edipresse Oppliger, er musste auch aus dem Stiftungsrat der Pensionskasse zurücktreten.

Jetzt will er, unterstützt von der Gewerkschaft Syndicom, die Annullierung dieser Entlassung erreichen respektive sie vor Gericht als missbräuchlich erklären lassen. Für Syndicom ist klar, dass Oppligers Auftritte an Personalversammlungen, aber auch seine Aktivitäten als Mitglied im Stiftungsrat der Pensionskasse der eigentliche Grund für die Kündigung waren. Die Anwälte seiner ehemaligen Firma sehen hingegen keinen Zusammenhang zwischen Oppligers Mandat als Personalvertreter und seiner Entlassung im Rahmen der Restrukturierung. Der Prozess begann letzten Donnerstag in Lausanne, das Urteil wird nicht vor Ende des Jahres erwartet.

Der Gerichtsfall ist Teil einer ganzen Reihe von Prozessen, die die Gewerkschaften zurzeit wegen missbräuchlicher Kündigungen führen mit dem Ziel, den Schutz von PersonalvertreterInnen zu verstärken. So hat etwa der Fall von Daniel Suter, Präsident der Personalkommission des «Tages-Anzeigers», der ebenfalls im Rahmen einer wirtschaftlich begründeten Kündigung entlassen worden war, in erster Instanz zu einer Verurteilung von Tamedia geführt, die weiteren Instanzen revidierten dann jedoch das Urteil. Auch die Entlassung von zwei Personalvertretern bei Radio Freiburg/Fribourg führte zur Verurteilung des Senders, doch ein Rekurs vor Kantonsgericht ist hängig.

PersonalvertreterInnen sind eigentlich insofern vor Entlassungen geschützt, als Firmen sie nicht aus diesem Grund entlassen können. Immer häufiger werden indes ökonomische Gründe angeführt. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat die Eidgenossenschaft bereits vor zehn Jahren vor der Internationalen Arbeitsorganisation wegen mangelnden Schutzes von PersonalvertreterInnen eingeklagt und Dutzende von Fällen dokumentiert. Weil seither selbst minimale Verbesserungsansätze versandet sind, hat der SGB die 2009 suspendierte Klage im Herbst 2012 reaktiviert.

Demonstration in Genf

Das Thema steht im Zentrum einer für den 1. Juni geplanten Demonstration in Genf. Die Genfer Gewerkschaften rufen zum Protest gegen Missbrauch, Lohndumping und Präkarisierung auf, der SGB zum Kampf gegen missbräuchliche Entlassungen. Mit dabei auf jeden Fall: die 22 Entlassenen vom Neuenburger Spital La Providence, die wegen ihres Streiks für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrags im Gesundheitswesen fristlos entlassen worden sind.