Afrika-Filmfest: Zwischen Politik und Poesie

Nr. 22 –

Zürich hat wieder ein kleines Afrika-Filmfestival. Das Filmpodium zeigt mit seiner Auswahl, wie vielfältig präsent die Vergangenheit in Afrikas Filmschaffen ist.

Eine qualitative Auseinandersetzung mit dem Filmschaffen der Länder südlich der Sahara findet in der Deutschschweiz oft nur im kleinen Rahmen statt, weil das kommerziell nicht auswertbare Kino keine alternativen Schauplätze hat. Im Gegensatz etwa zu Frankreich, wo es seit zehn Jahren das Festival des cinémas d’Afrique du pays d’Apt gibt. Oder zu Deutschland, wo seit 1993 alle zwei Jahre das zehntägige Festival Jenseits von Europa von Filminitiativ Köln stattfindet, alternierend mit dem grossen Africa-Alive-Festival in Frankfurt und Berlin.

Im Zürcher Filmpodium waren dank der Initiative von Barbara Hegnauer und Hanna Diethelm zwischen 1989 und 2006 alle zwei Jahre während jeweils einer Woche Regisseurinnen und Schauspieler aus Afrika mit ihren Filmen zu Gast. Das letzte Cinemafrica fand 2009 allerdings nur noch in stark reduzierter Form statt, weil die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) den Anlass nicht mehr unterstützte.

Jetzt greift das Filmpodium mit dem Programm «Filmfest Afrika» die Idee wieder auf und zeigt vom 31. Mai bis am 2. Juni acht Filme aus Mali, dem Senegal, Südafrika, Kenia und Moçambique sowie zwei in Ghana und Mali realisierte Schweizer Dokumentarfilme. Unterstützt wird die diesjährige Veranstaltung wieder von der Deza und von Trigon-Film.

Schwerpunkt Mali

Auf dem Programm stehen zwei filmhistorisch bedeutende Filme von Souleymane Cissé, der in den sechziger Jahren am Moskauer Institut für Kinematografie Film studiert hat. «Baara» (1978) ist Teil von Cissés filmischer Chronik über soziale und politische Veränderungen im postkolonialen Mali der siebziger Jahre. Der junge Ingenieur Balla Traoré ist leitender Angestellter einer Fabrik in Bamako und setzt sich für die Mitwirkung der Arbeiter an wichtigen Entscheidungsprozessen ein, was dem Besitzer des Unternehmens missfällt. Mit grosser visueller Intensität und viel schauspielerischem Geschick werden in «Baara» komplexe soziale Verhältnisse thematisiert, auch jene zwischen Mann und Frau.

Als Wendepunkt im afrikanischen Kino gilt Cissés erfolgreichster und etwas mystischer Film «Yeelen» (1987), der nicht primär politisch motiviert ist, sondern eine von der malischen Tradition der Bamana inspirierte königliche Vater-Sohn-Geschichte aufgreift und mit fiktiven Elementen versetzt. Dabei versucht Cissé nicht, Rituale authentisch darzustellen, sondern inszeniert die filmische Wirklichkeit als Ritual. «Yeelen» heisst Licht, und der Film fasziniert nicht nur mit der Reise durch eine unendlich schöne und weite Landschaft, sondern vor allem wegen seiner einmaligen Lichtdramaturgie: Gedreht wurde ausschliesslich bei Tagesanbruch oder in der Abenddämmerung, ganz ohne künstliches Licht.

Inzwischen ist der 1940 geborene Souleymane Cissé der Doyen der schwarzafrikanischen Regisseure und bildet in Bamako junge FilmemacherInnen aus. Am Filmfest Afrika wird er mit Ruedi Küng, dem früheren Afrikakorrespondenten von Radio DRS und WOZ-Autor, über sein Schaffen und die aktuelle Situation in Mali sprechen.

Prostitution und revolutionäre Moral

Ein vergnüglicher und dennoch differenzierter Film zur Vergangenheitsbewältigung kommt aus Moçambique. Dort haben Genossen der Befreiungsbewegung Frelimo nach der hart erkämpften Unabhängigkeit von Portugal 1975 700 Prostituierte aus der Hauptstadt Maputo zur Umerziehung in den weit abgelegenen Dschungel verfrachtet. Dort sollten sie von obrigkeitstreuen Revolutionärinnen zu «neuen Frauen» gedrillt werden.

Licínio Azevedo hat in «Virgem Margarida» (2012) mithilfe von Zeugnissen ehemaliger Internierter die Nähe von revolutionärem Ideal und disziplinarischem Exzess ebenso eindrücklich wie sinnlich dargestellt. Insbesondere besticht die schauspielerische Qualität seiner Protagonistin Rosa, die sich nicht unterwirft, sondern ihre Kolleginnen zum Widerstand aufruft. Was schliesslich dazu führt, dass sich die Lagerleiterin mit den Prostituierten gegen ihre männlichen Vorgesetzten solidarisiert, nachdem diese eine Frau vergewaltigt haben.

Ein Gangsterfilm aus Kenia

Beim einheimischen Publikum war «Nairobi Half Life» (2012) ein Grosserfolg: Der erste Spielfilm des 31-jährigen Kenianers David Tosh Gitonga ist aus einem Workshop des deutschen Filmemachers Tom Tykwer hervorgegangen und wurde auch mit deutscher Unterstützung produziert. Gitonga erzählt die abenteuerliche Geschichte des Jungen Mwas, der sich vom Land in die Metropole Nairobi aufmacht, um Schauspieler zu werden.

In Nairobi gerät Mwas in die Fänge einer kriminellen Bande, deren Handwerk er schnell erlernt. Gleichzeitig gelingt es ihm, bei einem Offtheater unterzukommen, wo er die Rolle eines Kriminellen spielt. Dieser manchmal etwas gar konstruiert wirkende Gangsterfilm mit dem jungen Laiendarsteller Joseph Wairimu feiert im Zürcher Filmpodium seine Schweizer Kinopremiere – in Anwesenheit des Regisseurs.

«Filmfest Afrika» im Filmpodium Zürich, 
Fr, 31. Mai 2013, bis So, 2. Juni 2013. www.filmpodium.ch