Fussball und andere Randsportarten: Von Klubtreue und Wertschätzung

Nr. 23 –

Pedro Lenz über den Wechsel von GC-Trainer Uli Forte zu YB.

Jetzt ist es schon wieder passiert: Ein Angestellter im Arbeitsfeld des hiesigen Berufsfussballs wurde aus einem laufenden Vertrag herausgekauft. Für Laien sei kurz erklärt, wie das geht: Ein Fussballer oder Fussballtrainer hat einen Arbeitsvertrag mit einer bestimmten Laufzeit. Will ein anderer Verein diesen Trainer oder Spieler verpflichten, muss er sich mit dem Verein, bei dem dieser unter Vertrag steht, einigen. Einigen heisst in der Regel bezahlen.

Kommt keine Einigung zustande, bleibt alles beim Alten. Kommt aber eine Einigung zustande, wechselt der betreffende Spieler oder Trainer den Verein.

Das könnte eigentlich ganz einfach sein. Und wie erwähnt, es ist eben wieder passiert, diesmal mit Uli Forte, dem Trainer der Zürcher Grasshoppers, der für die kommende Saison zu den Berner Young Boys wechselt. Warum es aber trotzdem nicht ganz so einfach ist, zeigt ein flüchtiger Blick auf die Onlinekommentare einschlägiger Sportredaktionen: Uli Forte, der Mann, der auf vollkommen legale Weise seinen Arbeitgeber gewechselt hat, wird teilweise sehr aggressiv beschimpft. Die Grasshopers-Fans nehmen ihm übel, dass er zu einem andern Klub wechselt, bei dem er offenbar mehr verdienen kann.

Das Missverständnis, das hier vorliegt, ist gerade im Fussballmilieu sehr verbreitet. Es ist das Missverständnis derer, die vorschnell von sich auf andere schliessen. Normalerweise verhält es sich nämlich so, dass ein Fussballfan sein ganzes Leben lang Fan des gleichen Vereins bleibt. Und auch wenn sehr viele dieser lebenslangen Fans die Spiele nur dann besuchen, wenn es für ihren Verein gut läuft, beharren sie doch darauf, dass ein Fussballfan in seinem Erdendasein alles wechseln dürfe, nur nicht den Lieblingsklub. Das ist ein ungeschriebenes und gleichzeitig unumstössliches Gesetz in Fankreisen.

Von diesem allseits bekannten Gesetz nehmen manche Fans nun an, es lasse sich unverändert auch auf die Spieler und Trainer übertragen. Die Spieler und die Trainer sind aber keine Fans. Sie gehen nicht ins Stadion, um mit ihren Klubfarben mitzufiebern, nein, sie gehen auf den Platz, um ihre Arbeit zu verrichten.

Normalerweise ist es so, dass ein Trainer so lange bei einem Verein bleibt, bis er entlassen wird. In selteneren Fällen geht er von selbst. Das war immer so, seit es diesen Beruf gibt. Es ist auch nicht so furchtbar schwierig zu verstehen. Trotzdem scheint dieses einfache Muster noch nicht bis zu allen Fans durchgedrungen zu sein. Sie reden von Verrat, Charakterlosigkeit und weit schlimmeren Dingen, wenn derjenige, dem sie eben noch zugejubelt haben, ein paar Wochen später beim Gegner angestellt ist.

Das Problem ist nur zu lösen, indem die Fans versuchen, ihre lebenslange Liebe zum Klub allein auf das Leibchen und nicht auf die Menschen, die es tragen, zu beziehen. Der Verein ist nämlich immer grösser als einzelne seiner Mitglieder. Ein Fussballklub hat normalerweise eine über hundertjährige Geschichte, während ein Spieler meist nur ein paar Monate oder Jahre dieser Geschichte mitschreibt. Natürlich wäre es schön, wenn die Lieblinge der Fans genauso fest an den Klubfarben hängen würden wie diejenigen, die sie unterstützen. Aber die Welt des Profifussballs ist nicht so. Und solange wir das nicht einsehen, verhalten wir uns wie die Kinder, die sich die Hände vor die Augen halten und meinen, wenn sie nichts mehr sehen, seien sie für alle andern unsichtbar.

Uli Forte hat erklärt, er habe den Verein gewechselt, weil er bei YB mehr Wertschätzung spüre als bei seinem früheren Arbeitgeber. Manche Fans werfen ihm vor, es gehe ihm überhaupt nicht um Wertschätzung, sondern um Geld. Das muss kein Widerspruch sein. Meine persönliche Berufserfahrung hat mich jedenfalls gelehrt, dass Geld durchaus eine Art von Wertschätzung sein kann.

Pedro Lenz ist Schriftsteller und lebt 
in Olten. Als Kolumnist hat er schon 
den einen oder anderen «Vereinswechsel» 
hinter sich, als Fussballfan bleibt er 
dem BSC Young Boys treu.