Durch den Monat mit Dieter von Blarer (Teil 2): Wie gehen Sie mit aggressiven Kunden um?

Nr. 24 –

Seit bald acht Jahren amtet der Jurist Dieter von Blarer in Basel als Ombudsmann. Er hilft jenen, die sich von der Verwaltung schlecht behandelt fühlen – nimmt aber, wenn nötig, auch die Verwaltung in Schutz.

WOZ: Am Wochenende hatte das Referendum gegen das revidierte Asylgesetz keine Chance. Dieter von Blarer, Sie haben als Ombudsmann auch mit Migrationsfällen zu tun – hat eine solche Abstimmungsniederlage Auswirkungen?
Dieter von Blarer: Nicht direkt. Bei den Behörden treffe ich immer wieder auf Leute, die sich wirklich Mühe geben, menschliche Lösungen zu finden. Manchmal signalisieren sie, sie würden gerne grosszügiger sein, damit zum Beispiel ein Mensch, der in einer schwierigen Situation ist, hier bleiben kann. Sie signalisieren aber auch, dass die zunehmend negative Stimmung in der Öffentlichkeit und in der Politik ihren Spielraum einengt.

Weil sie sonst von rechts unter Beschuss kommen?
Ja, das ist manchmal spürbar.

Was tut eigentlich ein Ombudsmann?
Die Ombudsleute werden vom Kantonsparlament Basel-Stadt für jeweils sechs Jahre gewählt. Gemäss Gesetz stärken wir die parlamentarische Kontrolle über die kantonale Verwaltung und verhelfen den Einzelnen zu ihrem Recht. Wir schützen aber auch die Verwaltung vor unfairen Vorwürfen und Angriffen.

Sind Sie also der Mann zwischen den Fronten?
Nicht nur. Oft geht es darum, den Leuten zuzuhören, ihre Anliegen ernst zu nehmen und ihnen auch zu erklären, wie gewisse Dinge funktionieren. Wenn sich zum Beispiel in einem Baubewilligungsverfahren jemand ungerecht behandelt fühlt, ist es unser Job, darzulegen, dass das Gesetz dies und jenes vorschreibt und sich die Verwaltung nur an die Gesetze hält. Gesetze sind nicht immer fair und gerecht. Sie sind Resultat eines politischen Prozesses. Wenn man damit nicht zufrieden ist, müsste man sie via Parlament oder Initiative ändern, aber ignorieren darf man sie nicht. So läuft das in einem Rechtsstaat.

Wie wird man Ombudsmann?
Als ich die Ausschreibung in der NZZ gelesen habe, sass ich gerade in Taschkent in Usbekistan, ich war auf einer Auslandsmission fürs Departement für auswärtige Angelegenheiten. Ich hatte mich schon einmal für einen ähnlichen Job beworben, habe ihn dann aber nicht bekommen. Ich dachte, ich probiere es nochmals. Es war also eine normale Bewerbung.

Danach wurden Sie vom Grossen Rat gewählt?
So schnell ging das nicht. Nach dem ersten Vorstellungsgespräch rief mich der Sekretär der Wahlvorbereitungskommission an. Er fragte, ob ich bereit sei für ein Jobsharing, und meine Jobsharingpartnerin wäre Beatrice Inglin-Buomberger. Dann hiess es: «Rauft euch zusammen – wenn es nicht geht, seid ihr draussen.»

Sie kannten Frau Inglin?
Nein, es war ein Job-Blind-Date. Das Auswahlgremium schaute, welche Bewerber und Bewerberinnen zusammenpassen und die Stelle zu zweit am besten ausfüllen würden. Sie schauten aufs Know-how, die Lebens- und Berufserfahrung. Beatrice hat in diversen sozialen Institutionen gearbeitet, lehrte an der Hochschule für Pädagogik und Soziale Arbeit, ich war der Anwalt mit Erfahrung in Auslandseinsätzen und Konflikttransformation. Neben uns war noch ein Jobsharing-Paar im Rennen. Uns haben sie dann gewählt. Das Verfahren hat sich meiner Meinung nach bewährt, wir sind eine wirklich gute Kombination.

Nochmals zu Ihrem Alltag: Was tun Sie genau?
Das ist sehr vielfältig. Grundsätzlich versuchen wir zu vermitteln, damit es am Ende gar nicht zu juristischen Auseinandersetzungen kommt – dann haben beide Seiten gewonnen. Als unabhängige, neutrale Stelle können wir der Verwaltung zurückspiegeln, wie sie gegen aussen wirkt. Manchmal müssen wir unseren Kundinnen und Kunden aber auch klarmachen: Wie man in den Wald ruft, tönt es zurück. Wenn jemand ausfällig wird, muss er sich nicht wundern, wenn die Verwaltung rigid reagiert.

Vermutlich sind Sie auch mit schwierigen und aggressiven Menschen konfrontiert. Wie gehen Sie damit um?
Das gibt es, aber selten. Jemand, der sich beispielsweise mit allen möglichen Polizeiposten anlegt, Polizisten und Mitarbeitende der Staatsanwaltschaft anzeigt … Wenn jemand alle Instrumente nutzt, die ihm zur Verfügung stehen, kann er die Behörden und Institutionen stark beschäftigen. Wir nehmen diese Menschen ernst, setzen uns für sie ein und versuchen, auch da zu vermitteln. Es kann sein, dass am Beginn einer solchen Eskalation eine nachvollziehbare «Ungerechtigkeit» steht. Manchmal kommt man aber nicht mehr an diese Menschen heran, und dann scheitern auch wir.

Häufen sich solche Fälle?
Nein, das bleibt konstant. Manchmal beschäftigen einen solche Menschen über Jahre, aber eben, das sind sehr wenige. Oft erlebe ich das Umgekehrte: Jemand kommt sehr aufgebracht und schimpft. Man hat während des Gesprächs das Gefühl, man habe überhaupt nicht helfen können. Doch dann geht er oder sie raus und bedankt sich – dass man sich Zeit genommen hat und dass sie die Sache jetzt besser verstehen würden.

Dieter von Blarer (57) hatte zwischen 1986 und 2002 in Aesch BL eine eigene Anwaltspraxis. Zwischen 1999 und 2005 war er in verschiedenen Funktionen für den Expertenpool zivile Friedensförderung im Kosovo und in Zentralasien tätig. Seit 2006 ist er Ombudsmann der Stadt Basel, wird aber Ende des Jahres dieses Amt niederlegen.