Philippinen und Glencore-Xstrata: Ein Schweizer Abenteuer in der fernen Rohstoffkolonie

Nr. 24 –

Der Schweizer Rohstoffgigant Glencore-Xstrata ist auf den Philippinen massgeblich an einem riesigen Kupferabbauprojekt beteiligt. Strategische Unternehmensinteressen treffen auf Staatsversagen.

Lebensweise und Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung sind durch das Minenprojekt gefährdet. Foto: Bobby Timonera, Fastenopfer

Noch ist das Bergbauprojekt in Tampakan auf der südphilippinischen Insel Mindanao in der Erkundungsphase; erst ab 2019 soll mit der Metallausbeutung begonnen werden. Aber dann massiv: 375 000 Tonnen Kupfer und 11,2 Tonnen Gold sollen pro Jahr abgebaut werden – und das während siebzehn Jahren. Mit fünf Milliarden US-Dollar ist das die wohl grösste ausländische Direktinvestition auf den Philippinen und eines der grössten Minenprojekte der Welt.

Doch bereits jetzt ist das Projekt ein Lehrstück des Rohstoffparadoxes – ein weiteres Beispiel, wie die Bevölkerung eines ressourcen- und konfliktreichen Gebiets zwischen den Interessen globaler Unternehmen und lokaler Eliten aufgerieben wird. Lange vor der operationellen Phase haben die zunehmenden Konflikte mindestens acht Todesopfer gefordert. Gemäss philippinischen Zeitungsberichten kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen bewaffneten Indigenengruppen und dem Militär. Aufsehen erregte ein Gewaltverbrechen im letzten Oktober, bei dem Soldaten die Ehefrau und zwei Söhne eines flüchtigen militanten Indigenenführers erschossen hatten.

Zentralregierung gegen Provinz

«Die Philippinen haben eine lange, dunkle Geschichte des Rohstoffabbaus», sagt Gillarme Joy Pelino. Der katholische Pfarrer leitet das Social Action Center der Diözese Marbel, in der grosse Teile des 96 Quadratkilometer umfassenden Minenprojekts liegen. Pelino setzt sich seit Jahren vehement für die indigene und arme Bevölkerung der Region ein. «Es ist eine totale Liberalisierung des Rohstoffsektors, von der im Land nur eine kleine Elite profitiert», sagt der zierliche 33-Jährige, «denn eine Industriepolitik, mit der lokale Produktionsstätten und Arbeitsplätze geschaffen würden, existiert nicht.»

Seit Jahrzehnten verkündet die Regierung in der weit entfernten Hauptstadt Manila, der Rohstoffsektor sei ein zentraler Pfeiler der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung – obwohl der Bergbau 2011 gerade mal 1 Prozent zur Wirtschaftsleistung und gar nur 0,6 Prozent zur Gesamtbeschäftigung beitrug. Die Regierungsstellen ebneten denn auch diesem gigantischen Bergbauprojekt den Weg: mit Steuererleichterungen, lascher Anwendung von Umweltschutzbestimmungen, Vernachlässigung der Indigenenrechte bis hin zu militärischem Schutz des Projekts.

Nutzniesserin ist vordergründig eine philippinische Firma namens Sagittarius Mines Inc. (SMI), die allerdings hauptsächlich vom australischen Bergbauunternehmen Xstrata Copper kontrolliert wird, das wiederum Teil des frisch fusionierten Rohstoffriesen Glencore-Xstrata mit Hauptsitz in der Schweiz ist. Obwohl die vom Projekt betroffene Provinz South Cotabato 2010 ein Gesetz erliess, das aus Umweltschutzgründen den Tagebau verbietet, hält Xstrata Copper gemäss einem unternehmensinternen Papier an dieser «wirtschaftlich bevorzugten Option» fest. Die Gesetzgebung der südlichen Provinz irritierte das Umweltministerium in Manila nur leicht: Im Januar stellte es ein für die Weiterführung des Projekts notwendiges Zertifikat aus, das die Einhaltung aller Umweltschutzbestimmungen bescheinigt.

Für Father Joy, wie Pelino überall genannt wird, ist das ein Beweis, dass der Zentralregierung nicht an einer nachhaltigen Bergbaupolitik gelegen ist. «Unsere Region ist der Brotkorb der Südphilippinen. Das Tampakan-Projekt gefährdet die Wasservorkommen und untergräbt die Ernährungssicherheit», sagt Pelino. «Und vor allem bedroht es die Lebensweise und Lebensgrundlage der B’laan.» Das ist die indigene Volksgruppe, die im bewaldeten Berggebiet lebt, wo die gigantische Mine geplant ist. Die B’laan leben von der Jagd, der Fischerei und von etwas Ackerbau. Ihr Land – die Grabstätte ihrer Vorfahren – ist ihnen heilig. Rund 5000 von ihnen sollen wegen des Projekts umgesiedelt werden.

Diesem Umsiedlungsvorhaben müssen die Betroffenen gemäss internationalen Regeln ihre «freie, vorgängige und informierte Zustimmung» geben. Offiziell haben sie dies auch getan. Doch Pelino bezweifelt die Rechtmässigkeit und Transparenz des Verfahrens: «Die meisten Stammesführer sind wohl informiert und einige von ihnen auch einverstanden – kein Wunder, denn man sieht sie heute zum Teil mit grossen Autos herumfahren.» Doch viele normale Leute, die kaum lesen können, wüssten kaum, was auf sie zukommt, und sie könnten sich eine Trennung von ihrem Land gar nicht vorstellen. «Alles in allem hat das Minenprojekt zu einer totalen Spaltung der Indigenengemeinschaften geführt», sagt Pelino. Auch lokale PolitikerInnen hätten zuweilen andere Interessen als ihre WählerInnen: Der Bürgermeister der Gemeinde Tampakan ist Eigentümer einer Zulieferfirma von SMI.

Projekte mit Nebeneffekten

Eine unabhängige Studie der deutschen Universität Duisburg-Essen bestätigt viele Kritikpunkte von Pelino. Die katholischen Hilfswerke Misereor (Deutschland) und Fastenopfer (Schweiz) haben diese «Folgenabschätzung in Bezug auf die Menschenrechte» in Auftrag gegeben. Die AutorInnen schliessen nicht aus, dass das Minenprojekt auch positive Auswirkungen haben könnte, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht. Doch werde nichts getan, damit die Arbeitsplätze nach den siebzehn Jahren Betriebszeit weiterbestehen würden. Und vor allem seien die Risiken, dass es zu Menschenrechtsverletzungen kommt, so gross, dass «ein Tagbauprojekt dieses Ausmasses als nicht machbar erscheint».

Bereits vor der Inbetriebnahme der Mine habe «die Militarisierung des Gebiets und das Verhalten von Militär und Paramilitär zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen geführt». Doch die Studie ortet auch weniger offensichtliche Gründe möglicher Menschenrechtsverletzungen, etwa die lückenhafte Information der Bevölkerung und fehlende Partizipationsmöglichkeiten. Oder «die unausgeglichene Machtbeziehung zwischen SMI und betroffenen Gemeinschaften».

Die AutorInnen kommen zudem zum Schluss, dass die Bevölkerung durch Entwicklungsprojekte, die das Bergbauunternehmen finanziert, zwar durchaus profitieren kann – dass sie sich dadurch aber auch in eine gefährliche Abhängigkeit begibt. In der Tampakan-Region hat der philippinische Staat die Grundversorgung für Gesundheit und Bildung faktisch an das Unternehmen SMI abgetreten. Das weiss auch die Bevölkerung, die ihre nun verbesserte Versorgung durch Krankenhäuser und Schulen aufs Spiel setzt, falls sie das Unternehmen vertreibt. Der Staat vernachlässigt derweil grundlegende Staatsaufgaben und dürfte kaum rechtzeitig in die Bresche springen, wenn SMI spätestens nach Abschluss des Projekts die Gegend wieder verlässt.

Und die Schweiz?

Schliesslich benennt die Studie die ungenügenden Klage- und Beschwerdemöglichkeiten für Direktbetroffene. Auch hier liege die Hauptverantwortung beim philippinischen Staat. Doch stünden gemäss gängigen internationalen Regeln bei einem solchen Versagen des Gaststaates auch die dort tätigen Unternehmen selbst in der Verantwortung, für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen – und die Schweiz müsse dies von «ihrem» Unternehmen Glencore-Xstrata einfordern.

Daniel Hostettler, der Fachverantwortliche für Menschenrechte bei Fastenopfer, geht noch weiter: «Wenn ein Schweizer Unternehmen seiner Sorgfaltspflicht nicht genügend nachkommt und wenn im Gaststaat keine genügende Klagemöglichkeit besteht, dann müssen Betroffene Zugang zum Schweizer Justizsystem erhalten.» Die von rund fünfzig Schweizer Organisationen getragene Kampagne «Recht ohne Grenzen» hat dem Parlament eine entsprechende Petition überreicht. Sie ist jedoch auf wenig Widerhall gestossen. Und der Bundesrat hat im März in seinem Rohstoffbericht ein weiteres Mal das Hohelied «freiwilliger Grundsätze» gesungen.

Immerhin sprach sich am Dienstag der Nationalrat für mehr Transparenz im Rohstoffgeschäft aus und überwies ein entsprechendes Postulat an den Bundesrat. Vielleicht wächst auch in Bern langsam ein Bewusstsein für die Rohstoffproblematik heran – und sei es auch nur aus Gründen möglicher Reputationsschäden für das eigene Land. Denn besonders die USA und die EU schreiten mit Transparenzregeln für ihre Rohstoffunternehmen voran und erhöhen somit den Druck auf die Schweiz mitzuziehen.

Glencore-Xstrata zur Studie : «Mangelnde Objektivität»

Das für das Tampakan-Minenprojekt verantwortliche Rohstoffunternehmen Glencore-Xstrata äussert sich nur pauschal, in Form einer zweiseitigen Stellungnahme seiner Tochterfirma Sagittarius Mines Inc. (SMI), zur Studie der deutschen Universität Duisburg-Essen (vgl. Haupttext). Spezifische Fragen der WOZ blieben unbeantwortet.

In der deutschsprachigen Stellungnahme vom Mittwoch konstatiert SMI eine «mangelnde Objektivität und Ausgewogenheit der Untersuchung» und kritisiert die Methode der Befragung: «Scheinbar wird die Ansicht einer kleinen, ausgewählten Gruppe der Gemeinschaft irreführend als ‹Ansicht der Gemeinschaft› dargestellt.» Zudem komme im Bericht zu wenig zur Geltung, «in welchem erheblichen Umfang SMI akademische Studien durchgeführt hat», um die Umwelt- und Sozialverträglichkeit zu prüfen.

Schliesslich argumentiert SMI, nicht das Projekt sei der Hauptgrund für Gewalt in der Region. Die Studie habe die konfliktreiche Vergangenheit auf Mindanao zu wenig berücksichtigt, die «in Zusammenhang mit traditionellen Bräuchen, Rivalitäten, religiösen und politischen Aufständen und international anerkannten (sic!) terroristischen Vereinigungen steht». SMI fordert eine Überarbeitung des Berichts.

Unerwähnt bleibt in der Stellungnahme, dass das Unternehmen gemäss den von ihm offiziell unterstützten Uno-Richtlinien verpflichtet gewesen wäre, selbst eine solche «Folgenabschätzung in Bezug auf die Menschenrechte» in Auftrag zu geben. Und dass SMI demnach auch die bereits bestehende Konfliktsituation (die die Duisburger Studie detailliert berücksichtigt) in ihre Unternehmensentscheide einbeziehen sollte.