Südafrika: Aufklärung an der Tür

Nr. 24 –

In Südafrikas Townships soll bei Jungen und Männern das Männerbild verändert werden, um Gewalt und HIV-Ansteckungen zu reduzieren.

Männer müssen Härte zeigen. Sie dürfen nicht um Hilfe fragen und nicht nachgeben. Weil viele so denken, zieht Precious Maseko auch an diesem Morgen mit einem Stapel Flugblätter unter dem Arm durch Yeoville, ein Armenviertel von Johannesburg. Am Ende eines kalten Flurs klopft sie viermal an eine Wohnungstür. Bald taucht aus dem Dunkel ein Mann auf; er kneift die Augen zusammen. «Wie viele Kinder hast du?», fragt Precious, die sich mit Vornamen vorstellt. «Wer kümmert sich um sie?»

Precious Maseko, eine kräftige Frau Ende dreissig mit kurzen Haaren und einer tiefen, ruhigen Stimme, ist Sozialarbeiterin und Genderaktivistin. Ihr Ziel ist, das Bild von Männlichkeit zu verändern. Precious überreicht dem Mann ein Flugblatt mit zehn Tipps, was man als Vater tun sollte: mit den Kindern spielen und lachen, sie zum Arzt begleiten, sie streicheln und nicht schlagen. Ein paar Minuten dauert das Gespräch, dann geht sie weiter zur nächsten Tür.

Arbeitslosigkeit und Alkohol

Die Entwicklungshilfeorganisation Sonke schickt Leute wie Maseko in die Townships, um besonders junge Männer aufzuklären: wie man ein Kondom benutzt, wie man ein guter Vater wird, dass sie niemanden zum Sex zwingen sollen. Statt sich im Kampf gegen ungewollte Schwangerschaften, sexuelle Gewalt und HIV nur an Frauen zu richten, werden in Südafrika nun auch Jungen und Männer angegangen.

Fünfzehn Freiwillige und zwei SozialarbeiterInnen sind an diesem Tag in Yeoville unterwegs. Dort ist die Zahl der AusländerInnen hoch, genauso wie die Arbeitslosigkeit und der Alkoholkonsum. Die Freiwilligen kennen die Umgebung, sie sind sonst Polizistinnen, Studenten oder Hausfrauen. Sie kennen auch die Probleme hier: Aus Frust über Arbeitslosigkeit und Armut trinken die Männer. Vermehrt schlagen sie ihre Kinder und bestimmen über ihre Frauen.

Bisher habe man sich vor allem um die Opfer gekümmert, sagt Dean Peacock, der Sonke 2006 gegründet hat. «Um Probleme wie häusliche und sexuelle Gewalt in den Griff zu bekommen, muss man aber auch die Rolle der Männer hinterfragen.» Besonders in traditionellen Gesellschaften herrsche häufig ein einseitiges Bild von Männlichkeit vor, sagt Peacock. Männer würden nur von der Gemeinschaft akzeptiert, wenn sie Härte zeigten, zum Beispiel nicht zum Arzt gingen oder mit vielen Frauen schliefen. «Durch dieses Männerbild werden viele Probleme verstärkt», sagt Peacock. «Probleme wie HIV und sexuelle Gewalt kann man deshalb nur ernsthaft bekämpfen, wenn man die Männer mit einbezieht.»

Männerfeindliche Strukturen

Gleichwohl liege die Verantwortung für die Veränderung nicht nur bei den Männern, sagt Kopano Ratele, Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Universität von Südafrika (Unisa) in Pretoria: Auch im Sozialsystem und im Gesundheitswesen müsse man anders zu denken beginnen. «Derzeit führen die Strukturen, Einrichtungen und Abläufe dazu, dass sich Männer an den Rand gedrängt oder gar überflüssig fühlen», sagt Ratele. Vor allem, wenn es um die Gesundheit von Kindern gehe, würden Männer bisher ignoriert.

«Es gibt Geschichten von Männern, die mit ihren Kindern zum Impfen gehen und wieder weggeschickt werden mit der Frage, wo denn die Mutter sei», berichtet Ratele. Oder von Männern, die vor der Entbindung aus dem Kreisssaal geschickt würden. «Männer zu ignorieren, bedeutet, mögliche Verbesserungen zu bremsen.»

Traditionell sind Erziehung und Familie auch in Südafrika meist Frauensache. Organisationen wie Sonke veranstalten nun Workshops, in denen es um Familienleben, Gewaltlosigkeit und Aids geht. All das, womit sich vorher nur wenige Männer beschäftigt hatten. In den Townships finden nun Vater-Kind-Nachmittage statt.

Solche Projekte, gerade wenn sie Väter und Jungen ansprechen, könnten sinnvoll sein, um das Bild von Männlichkeit langfristig zu verändern, sagt Professor Ratele. «Je früher man Jungen klarmacht, dass sie an der Beziehung zwischen den Geschlechtern etwas ändern müssen, desto wahrscheinlicher ist ein gesellschaftlicher Wandel.» Dass Männer weniger Hilfe suchten, gewalttätiger seien und risikofreudiger Auto führen, habe nämlich Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft.

In Yeoville klopft Sozialarbeiterin Maseko an die letzten Türen an diesem Tag. Meist sind die Menschen offen für ein Gespräch. «Manche Männer wissen nicht einmal, wie sie ein Kondom benutzen müssen», sagt sie. Manchmal seien die Leute zu verklemmt, um das Päckchen Kondome entgegenzunehmen. «Andere sagen, wir würden für Prostitution werben.» Es sei nicht so einfach, sagt Precious. «Das alte Männerbild ist sehr tief verankert – in allen von uns.»