Internationaler Tag zur Unterstützung der Opfer der Folter: Nicht einmal gegen den schlimmsten Feind

Nr. 25 –

Folter korrumpiert und pervertiert eine ganze Gesellschaftsordnung. Gerade weil weltweit immer mehr gefoltert wird, gilt es, sie mit allen Mitteln zu bekämpfen.

«Trotz der vielen Verbote und Konventionen und trotz einer weltweiten moralischen Ächtung wird noch immer in sehr vielen Ländern gefoltert», sagte Juan Méndez, Uno-Sonderberichterstatter über Folter, im Januar 2012 in einem Interview mit der WOZ. Eineinhalb Jahre später hat sich daran nichts geändert – im Gegenteil.

Die Welt sieht weitgehend hilflos zu, wie sich bewaffnete staatliche und nichtstaatliche AkteurInnen in Konflikten nicht nur in Afrika und im Nahen Osten radikalisieren, wie von ihnen Folter, sexualisierte Gewalt und andere Menschenrechtsverletzungen gezielt und in grossem Stil als Kriegswaffen eingesetzt werden oder wie die Polizei – gerade auch in demokratischen Staaten – brutal gegen Protestierende und DemonstrantInnen vorgeht. Die Uno-Antifolterkonvention verpflichtet die Staaten, Folter aktiv zu verhindern. VertreterInnen staatlicher Gewalt dürfen einer Person weder starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen, zufügen lassen noch dies dulden, um eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern, zu bestrafen oder zu diskriminieren. Darunter kann etwa Polizeigewalt verstanden werden, aber auch schlechte Haftbedingungen in den Gefängnissen.

Auch die Verschärfung von Asylgesetzen kann Folter begünstigen. Dies ist besonders gravierend, da in den letzten Jahren die Flüchtlingszahlen weltweit massiv zugenommen haben – so wurden allein 2012 über 7,6 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, wie das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge eben bekannt gab. Laut Schätzungen nichtstaatlicher Organisationen waren und sind zwischen 15 und 25 Prozent der Flüchtlinge in ihrer Heimat, auf der Flucht oder in Auffanglagern und Ausschaffungsgefängnissen irgendeiner Form von Folter ausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, im eigenen Land einem Folterüberlebenden – so der offizielle Sprachgebrauch in der Therapie – zu begegnen.

Folter ist ein globales Problem der schlimmsten Art, wie der Internationale Dachverband der Rehabilitations- und Forschungszentren für Folter schreibt. Folter ist nicht nur in den physischen und psychischen Wunden jener sichtbar, die sie überleben, sondern betrifft auch deren Familien und das ganze soziale Umfeld.

Das war nicht immer so. «Vor zwölf Jahren war in den Gesellschaften ein Konsens erreicht worden, nach dem man keine Folter anwendet, und zwar nicht einmal gegen seine schlimmsten Feinde», sagt Méndez. Doch dann passierten die Anschläge vom 11. September 2001, und der internationale Krieg gegen den Terrorismus unter Federführung der USA wurde ausgerufen. Im Zuge der US-Kriege in Afghanistan und im Irak bröckelt seither dieser gesellschaftliche Konsens. Demokratische Grundrechte werden durch eine – eben aufgedeckte – weitreichende Überwachung sukzessive ausgehebelt, die Definition von Folter wird aufgeweicht, und subtilere Foltermethoden wie das sogenannte Waterboarding, die weniger Spuren hinterlassen, werden «erfunden».

Es gilt deshalb, die Rückschritte der letzten zwölf Jahre rückgängig zu machen und zu fordern, dass die Antifolterkonvention in allen ihren Konsequenzen und Forderungen umgesetzt wird.

Eine Möglichkeit, die Regierungen an ihre Verantwortung zu erinnern, ist der Internationale Tag zur Unterstützung von Folteropfern, der jeweils am 26. Juni stattfindet. An diesem Tag trat 1987 die Uno-Konvention gegen Folter und andere Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlungen oder Bestrafungen in Kraft. Die Konvention wurde von den meisten Staaten der Welt schon lange ratifiziert. Doch laut Amnesty International wird heute in über hundert Staaten der Welt gefoltert. Die TäterInnen bleiben meist straffrei. Ausserdem erhalten die Opfer nur selten die notwendige psychologische, medizinische und juristische Unterstützung.

Der diesjährige Aktionstag ist deshalb dem Recht auf Rehabilitation gewidmet. Mit der Annahme der Konvention verpflichtet sich ein Staat automatisch, «alle notwendigen Dienstleistungen für eine vollständige Rehabilitation von Folteropfern zum schnellstmöglichen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen», und zwar «ungeachtet der vorhandenen Ressourcen». Zugegeben: Dies ist keine geringe Forderung in einer Zeit, in der überall die Budgets für soziale Ausgaben gestrichen werden.

Doch oftmals sind nicht allein fehlende Ressourcen das Problem. Noch immer gilt Folter bei vielen Menschen als Tabu. Dies erschwert es, über ihre Ursachen und Folgen in der Öffentlichkeit zu sprechen. «Es ist tatsächlich ein brutales Thema und weckt unangenehme Gefühle», sagt Hasim Sancar, ehemaliger Leiter des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer des Schweizerischen Roten Kreuzes in Bern. «Aber es ist auch eine politische Frage, eine Konfrontation mit der Realität.»

Deshalb ist es wichtig, nicht nur am 26. Juni über Folter zu sprechen und sich diesem Thema zu stellen. Wer sich darauf einlässt, blickt zwar in menschliche Abgründe. Wichtiger jedoch ist, dass man dabei auch viele inspirierende Geschichten erfährt: über die Fähigkeit des Menschen, Krisen zu meistern, und über seinen Lebenswillen.