Medientagebuch: Ist auch vorbei

Nr. 32 –

Armin Köhli über das Ende des Blogs «Knapp daneben».

Darf man einen solchen Blog nach fünf Jahren einfach aufhören, einen Blog, so sorgfältig geschrieben, genau recherchiert, witzig und geistreich? Die Frage kommt zu spät. Denn seit Mitte Juli ist knapp daneben auch vorbei.

Unter dem Titel «Knapp daneben» gab der freie Journalist Pascal Claude ab 1997 ein Fussball-Fanzine heraus. Daraus entstand eine Kolumne in der WOZ (2006–2008) und schliesslich der gleichnamige Blog. Bei «Knapp daneben» ging es vordergründig immer um Fussball. Zwar ist Fussball ja eher langweilig, und es wiederholt sich wie fast immer im Sport alles ständig, dennoch mühen sich unzählige JournalistInnen wie KolumnistInnen am Thema ab, die einen auf der Suche nach grossen Buchstaben, die anderen nach Pointen und dem ultimativen Witz. Nichts davon auf «Knapp daneben». Da ging es um Fussball und Alltag, um die trostvolle Realität in der Schweizer und der internationalen Provinz, um die trostlosen Trends in den Möchtegernmetropolen; um Fankultur genau wie um die Selbstgerechtigkeit in den Fankurven. Und dabei bot «Knapp daneben» die schärfste Medienkritik landauf, landab: Der gedankenfreie Instant- und Dumpfbackenjournalismus wurde genauso seziert wie etwa die Kampagnen zum Hooligankonkordat in den seriöseren Blättern.

«Knapp daneben» kam dem idealen Blog nahe. Er nutzte alle Freiheiten und Stilmittel, die ein Blog bietet und die die Eigenheit dieses Mediums ausmachen. Immer subjektiv und parteiisch geschrieben, ohne fixe Länge der Texte, bereichert durch historische Fotos genauso wie durch Schnappschüsse; mit Gastbeiträgen, Videos, Musik, Links und moderierten Kommentaren. Höchstens einen Videolink pro Woche, das hatte sich Pascal Claude selbst auferlegt. Aber was für welche! Anklicken lohnte sich praktisch immer; sei es auf unglaubliche Spielszenen, auf Szenen im Publikum, oder, sowieso Claudes Leidenschaft, auf Musik. Da sind Trouvaillen verlinkt wie eine BBC-Reportage der sechziger Jahre über die Fankurve der Liverpooler Anfield Road, in der Jung und Alt dicht beieinanderstehend so glückselig und inbrünstig den Beatles-Song «She Loves You» singt, dass man die Hühnerhaut kaum wieder loswird. Aber auch Abgründe wie der Aarauer Clip «Brügglifäld Olé», ein unglaublich geschmackloser, sexistischer Möchtegerngassenhauer von properen Jungs aus dem Mittelland. Claudes Kommentar ein paar Tage später: «Leicht beunruhigt muss ich feststellen, dass die YouTube-Aufrufe von ‹Brügglifäld Olé› in den fünf Tagen seit diesem Blog-Eintrag von 856 auf über 3500 hochgeschnellt sind. So war das ja dann auch wieder nicht gemeint.»

Thematisch kompetente, seriös recherchierende und gut vernetzte BloggerInnen wie Pascal Claude bleiben Leuchtsterne im Internet – sie bieten verlässlich aufbereitete und relevante Information, wie sie in Zeitung, Funk und Fernsehen nur noch selten zu finden ist.

Und bereits fehlt dieser Blog. Wo berichtet uns Claude denn nun von den Zuständen wie jüngst beim Spiel Schaffhausen–Winterthur, bei dem ein angesichts unendlich langer Schlangen vor dem Getränkestand kurzerhand bestellter Pizzakurier das Geschäft seines Lebens machte? Wobei er das Flaschenbier aus seinem Lieferwagen erst in Becher abfüllen musste; umzingelt von überforderten Sicherheitsleuten, denen die Vorschriften im Kopf wohl nur so durcheinanderwirbelten.

Immerhin: Was bisher veröffentlicht wurde, bleibt auf knappdaneben.net zugänglich.

Armin Köhli ist ehemaliger WOZ-Redaktor und hat zeitweise die WOZ-Sportseite betreut.