Matana Roberts: Auf den Spuren der Vorfahren

Nr. 46 –

Die aus Chicago stammende und in New York lebende afroamerikanische Saxofonistin Matana Roberts thematisiert in ihren «Coin Coin»-Projekten die eigene Geschichte. Sie hat nach den spärlichen Spuren gesucht, die ihre Vorfahren im Süden der USA im 18. und 19. Jahrhundert hinterlassen haben, und fokussiert dabei auf die Geschichte der Frauen. Vor zwei Jahren hat sie einen beeindruckenden Zyklus begründet, der auf zwölf Kapitel angelegt ist. Für «Coin Coin Chapter One: Gens de Couleur Libre» liess sie sich von der Musik aus Mississippi, Tennessee und Louisiana inspirieren. Sie berichtete aus der Zeit der Sklaverei, aber erzählte vor allem von den Leuten, die sich weder als «afrikanisch noch als Schwarze, Farbige, Weisse oder Kreolen verstanden», sondern als «Gens de Couleur Libre».

Nun ist mit «Coin Coin Chapter Two: Mississippi Moonchile» das Folgealbum erschienen, das die Migrationsbewegung von Süd nach Nord und Roberts’ eigene Kindheit ins Zentrum stellt. Vor zwei Jahren erzählte sie in einem WOZ-Interview (siehe WOZ Nr. 7/11 ) von ihrer Jugend in einem gut behüteten Elternhaus, von einem Vater, der ihr «Bells» des Saxofonisten Albert Ayler vorspielte, von einer Mutter, die sie in die Oper mitnahm. Ihre Eltern ermöglichten ihr eine solide musikalische Ausbildung und nahmen sie ab und zu mit in die Kirche.

All diese Einflüsse hat Roberts in ihren Kompositionen für «Mississippi Moonchile» verarbeitet und einige traditionelle US-amerikanische Folksongs dazu gestellt. Den zweiten Teil spielt ein Sextett, mit dem sie an eine musikalische Tradition anknüpft, die das Art Ensemble of Chicago mit seiner Verbindung von freier Musik und Theatralik berühmt gemacht hat. Aus dem expressiven Gruppenspiel erhebt sich die Stimme des Operntenors Jeremiah Abiah, und Shoko Nagai verwandelt ihr Piano in eine Harfe. Aber am dringlichsten wird die Musik, wenn Matana Roberts zu singen und rezitieren beginnt, wie in dem Blues «Woman Red Racked». Wenn sie die Liebe und den Schmerz der «black woman», der «black mama», besingt – und die Band zum summenden Chor wird.

Matana Roberts: Coin Coin Chapter Two: Mississippi Moonchile. Constellation Records