Entwicklungszusammenarbeit: Das Feigenblatt welkt

Nr. 3 –

Die Anbindung der Entwicklungszusammenarbeit an die restliche Schweizer Aussenpolitik würde deren Wirksamkeit schmälern.

Will Aussenminister Didier Burkhalter die ihm unterstellte Entwicklungszusammenarbeit für eigennützige Zwecke instrumentalisieren? Bringen die in seinem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) geplanten und teilweise bereits umgesetzten Reformen die versprochenen Effizienzgewinne? Solche Fragen musste Burkhalter Anfang der Woche vor der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats beantworten.

Was das EDA mit seiner Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) vorhat, erinnert an dunklere Zeiten, als es noch üblich war, staatliche Entwicklungshilfe an direkte Gegenleistungen des Empfängerlandes zu knüpfen. Auch wenn es weiterhin indirekte Verknüpfungen mit eigenen aussenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen gegeben hat, so war die Schweiz bisher doch in der fortschrittlichen Gruppe von Geberländern, die eine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis anerkannte: Effizient und wirksam ist Entwicklungszusammenarbeit nur, wenn sie sich auf das eigentliche Ziel beschränkt – auf die entwicklungspolitischen Bedürfnisse der Partnerländer und der betroffenen Menschen.

Auch bürgerliche PolitikerInnen, die gern auf Effizienz und Wirkung pochen, haben eine Zeit lang diesen modernen entwicklungspolitischen Konsens mitgetragen. Sie wissen ja eigentlich auch, dass die mittlerweile jährlich über 2,5 Milliarden Franken an offizieller Entwicklungshilfe (die neben der Deza auch von weiteren Bundesstellen, Kantonen und Gemeinden verwaltet werden) im Vergleich zu den wirtschaftlichen Rückflüssen aus den Entwicklungsländern keine Unsumme darstellen. Die Entwicklungszusammenarbeit leistete man sich als ein kleines Korrektiv, ein moralisches Feigenblatt, um dahinter die eigenen aussenpolitischen Interessen ungestört verfolgen zu können.

Der Wind hat gedreht. Aussen- und entwicklungspolitische Interessen sollen wieder stärker verknüpft werden. Den Anfang machte nicht der bürgerliche Bundesrat Burkhalter, sondern bereits seine sozialdemokratische Vorgängerin Micheline Calmy-Rey. Die Genferin, die gern über alles die volle Kontrolle ausübte, entriss der Deza 2008 zentrale Führungsinstrumente wie das Personalwesen und die Kommunikation und wollte gar die strategische Finanzplanung zentralisieren. Kürzlich abgeschlossene Evaluationen solcher Synergiemassnahmen fielen, gerade auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, grösstenteils negativ aus.

Der freisinnige Didier Burkhalter vollendet nun den ineffizienten Synergieversuch. Neben der Zentralisierung weiterer Führungsinstrumente sollen in den nächsten Jahren in bis zu fünfzig Partnerländern die Kooperationsbüros mit den Botschaften vereint werden. Die BotschafterInnen sind in solchen «integrierten Botschaften» gleichzeitig für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig – egal ob sie aus dem diplomatischen oder dem Entwicklungsdienst kommen.

Die Länderprogramme der Deza werden also nicht mehr unbedingt von einer Fachperson verantwortet. Entwicklungsgelder finanzieren die Aktivitäten von BotschafterInnen, wenn dies als Teil der Entwicklungszusammenarbeit definiert wird. Damit werden die Gelder kaum effizienter eingesetzt.

Doch hinter den neusten Reformen steht nicht der Wunsch nach mehr Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit, sondern nach mehr «aussenpolitischer Kohärenz». Das ist eine Umkehrung der von EntwicklungsexpertInnen schon lange geforderten «entwicklungspolitischen Kohärenz», wonach die aussenpolitischen Ziele eines Landes möglichst mit globalen Entwicklungszielen vereinbar sein sollen. Dass sich die beiden Zielsetzungen grundsätzlich widersprechen, galt bisher als Binsenwahrheit. Nun schreibt der EDA-Mediendienst aber auf Anfrage: «Aussen(wirtschafts)politische und entwicklungspolitische Interessen widersprechen sich in der Regel nicht. Falls es in Einzelfällen dennoch Widersprüche geben sollte, entscheidet der Bundesrat.»

So einfach ist das. Die Schweiz verabschiedet sich mit solch fahrlässig naiven Einschätzungen gerade von einer ernst zu nehmenden Entwicklungszusammenarbeit.