Kommentar: Der Zug ist voll

Nr. 3 –

Diese Woche ist ein kleines Büchlein erschienen, das der Autor, Filmer und PR-Mensch Thomas Haemmerli herausgegeben hat. Haemmerli und verschiedene PromischreiberInnen polemisieren darin zu Recht gegen das Unwort «Dichtestress» und die anstehenden Volksinitiativen von SVP und Ecopop. Auf den Inhalt der achtzigseitigen Broschüre soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. (Wer sich dafür interessiert: Die Texte sind schnell gelesen, die Lektüre kurzweilig.) Sie wird hier nur wegen ihres Titels erwähnt. Dieser bringt die Absurdität und Dumpfheit der aktuellen Diskussionen um die angebliche Überbevölkerung sehr schön auf den Punkt. Er lautet: «Der Zug ist voll».

Am 9. Februar entscheidet die Schweizer Stimmbevölkerung über die SVP-Initiative «gegen Masseneinwanderung» sowie über die Vorlage «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» (Fabi). Über die «Masseneinwanderung» reden sich die Leute den Mund fusselig, dabei ist Fabi nicht minder wichtig. Die Vorlage ist ein ausgeklügelter Kompromiss, der Kantone, Bund, Steuerzahlerinnen und Umweltverschmutzer (Privatautos sowie Lastwagen) ausgewogen zur Kasse bittet, um die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs langfristig zu sichern.

Dabei geht es nicht um einen gross angelegten Ausbau oder eine Vergoldung des Schienenverkehrs, wie die GegnerInnen weismachen wollen. Tatsächlich sind in einem ersten Schritt nur wenige, vor allem regionale Ausbauprojekte geplant. Selbst wenn es im Detail Kritik geben mag (vgl. Artikel «Haben wir denn überhaupt eine Wahl?» und «Die Stadt Lausanne wird sonst regelrecht kaputtgebaut!» ), Fabi ist ein entscheidender Schritt, um die bestehende Infrastruktur zu unterhalten und später punktuell auszubauen.

Letzte Woche sagte der Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini im WOZ-Interview , er wehre sich dagegen, das Thema Zuwanderung auf volle Züge zu reduzieren. Die Aussage klingt banal. In diesen verwirrten Zeiten aber ist sie wohltuend vernünftig. Wer sich also – zu Recht oder nicht – über «volle Züge» aufregt, sollte vielleicht Pardinis Aussage für sich umkehren: Das Thema «volle Züge» lässt sich nicht auf die Zuwanderung reduzieren.