Roman «Das Bild»: Vier Frauen und ein Mann

Nr. 3 –

Was ungenau erscheint oder erst bei genauem Schauen erkennbar wird, ist die Schattenfigur im Bild eines Malers, mit dessen Tod der Roman beginnt und endet, die «Göttin» im Zwielicht, zugleich Realität und Symbol. Es geht um die im Dunkeln wirkende, aufleuchtende und nebelhaft verlöschende Anziehungskraft zwischen Frau und Mann, Mann und Frau, die Liebe heisst, konfus und klar im Nacheinander von Begehren und Verzehren, Verabscheuen und Beenden.

Vier Frauen und ein Mann, wobei die vierte Frau die Tochter der dritten ist, zugleich die Tochter des Mannes, ohne deren Wissen und ohne dessen Wissen – also vier Frauen und ein Mann sind unlösbar untereinander verbunden. Was die drei Frauen ähnlicher Herkunft beim Erwachsenwerden mit ihrem Lebens- und Welthunger zusammengeführt hatte, war von ungleichen Wünschen oder Bedürfnissen begleitet: bei der einen nach Bindung mit träger Treue, nach denkerisch lustvollem Diskurs bei der zweiten, bei der dritten nach der Bestätigung von Schönheit und Wert des eigenen Körpers. Des Künstlers eigenes Begehren erfüllte – oder benutzte – den Wunsch der einen Frau wie jenen der anderen. Aus dem Zusammenwirken der Beziehungsgeschichten mit unterschiedlichen Entwicklungen, zum Teil mit der Flüchtigkeit des Glücks, mit Verlusten und Tabus, gleichzeitig mit untrüglicher Frauenfreundschaft, wuchs die Geschichte, die eines Tages zu einem gemeinsamen Entscheid der drei Frauen führte.

Dieser Entscheid, der durch die Forderung des Malers nach Rückgabe des Bildes bewirkt wurde, bildet den eigentlichen Inhalt des Romans. Er ist der Erstling der Autorin, knapp und von verblüffender Struktur, letztlich ein klassisches, filmreifes Drama. Bis zum Schluss bleibt offen, ob es um späte Auflehnung und Abrechnung geht oder am Ende um Versöhnung. Die lichtvolle Lösung findet sich in der jungen Frau, die sich aus dem Verhängnis ihrer Herkunft durch eigene Wahl befreit.

Christine Fivian: Das Bild. Edition Xanthippe. 
Zürich 2013. 70 Seiten. Fr. 29.80