Ecopop: Der Egoismus tarnt sich gut

Nr. 8 –

Das muss diesem Verein erst mal jemand nachmachen: Vor drei Jahren war er noch fast unbekannt. Heute reden alle von Ecopop, die Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» ist zur Geheimwaffe der SVP geworden, sozusagen zur Durchsetzungsinitiative für die am 9. Februar 2014 angenommene Initiative «gegen Masseneinwanderung». So legt die bereits 1971 gegründete Organisation im fortgeschrittenen Alter noch eine glänzende Karriere hin.

Vor drei Jahren wurde die Ecopop-Initiative lanciert, im Herbst 2012 kam sie zustande. Die Vorlage hat zwei Kernpunkte. Erstens: «Die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz darf infolge Zuwanderung im dreijährigen Durchschnitt nicht um mehr als 0,2 Prozent pro Jahr wachsen» – das wären etwas mehr als 16 000 Personen. Zweitens: Der Bund soll mindestens zehn Prozent der Entwicklungshilfegelder in die «freiwillige Familienplanung» investieren.

Auf den ersten Blick haben die beiden Anliegen wenig miteinander zu tun. Noch ist unklar, ob die Initiative die erforderliche Einheit der Materie erfüllt oder für ungültig erklärt wird – nächste Woche debattiert die zuständige Ständeratskommission darüber. Für die InitiantInnen hingegen liegt der Zusammenhang auf der Hand: Ecopop möchte das Bevölkerungswachstum beschränken – auf der Welt, aber auch in der Schweiz. Im ersten Absatz der Initiative heisst es: «Der Bund strebt auf dem Gebiet der Schweiz eine Einwohnerzahl auf einem Niveau an, auf dem die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft sichergestellt sind.»

Dass UmweltschützerInnen weniger Menschen fordern, ist nicht neu. Der Gedanke liegt nahe: Weniger Menschen verbrauchen weniger Ressourcen und verschmutzen die Umwelt weniger. Die Kapazitäten des Planeten sind endlich. Doch genau hier beginnt das Problem mit solcher Bevölkerungspolitik: Es gibt keine fixe Zahl, wie viele Menschen auf der Erde – oder in der Schweiz – leben können, ohne ihre Lebensgrundlagen zu zerstören. Das hängt entscheidend davon ab, wie sie wirtschaften. Und es sind immer noch wir, die Reichen im Norden, die einen Grossteil der Ressourcen beanspruchen, das Klima anheizen und mit der Produktion unserer Konsumgüter in China die Umwelt verseuchen. Wenn die Ecopop-InitiantInnen konsequent wären, müssten sie als Erstes eine Geburtenbeschränkung im Norden fordern – am besten auf null. Stattdessen sollen die Frauen im Süden weniger Kinder haben, freiwillig natürlich. Doch was heisst das? «Bei Leuten, die keinen Besitz haben, kann man nicht von Freiwilligkeit ausgehen», sagt die Berner Ethnologin Annemarie Sancar (siehe WOZ Nr. 42/12 ). Überzählig sind immer die anderen. Haben reiche weisse Männer mit Einfamilienhäusern – wie sie im Ecopop-Vorstand zahlreich vertreten sind – wirklich das Recht, armen schwarzen Frauen zu sagen, wie viele Kinder sie haben dürfen?

Noch absurder wird das ökologische Argument, wenn es um die Schweiz geht. Zwischen achtzig und neunzig Prozent der ständigen Wohnbevölkerung ohne Schweizer Pass stammen aus der EU. Ob sie hier Auto fahren oder in ihren Herkunftsländern, ist dem Klima egal. Dass sich Menschen in der Schweiz von Verkehrslawinen und Zersiedlung gestört fühlen, ist legitim. Aber warum engagieren sie sich nicht für eine bessere Verkehrspolitik, für eine andere Raumplanung, statt den AusländerInnen die Schuld zu geben?

Je genauer man hinschaut, desto zynischer wirkt Ecopop: Eines der reichsten Länder der Welt schottet sich ab. Weil es seine Lebensqualität erhalten will? Oder eher: Weil es an seinem verschwenderischen Lebensstil nichts ändern will?

Bei einer so strikten Einwanderungsbeschränkung, wie sie die Initiative vorsieht, ist an Familiennachzug nicht zu denken. Und obwohl immer noch das gegenteilige Gerücht herumgeistert: Auch Flüchtlinge sind betroffen. Asylsuchende in hängigen Verfahren und vorläufig Aufgenommene gehören nicht zur ständigen Wohnbevölkerung, anerkannte Flüchtlinge aber schon. Anerkannt zu werden, würde mit dieser Initiative garantiert noch schwieriger, als es heute schon ist. Ecopop – das ist Egoismus, der sich als Weltrettung tarnt.

Am 1. März findet in Bern eine Demo «Für eine offene und solidarische Schweiz» statt. Besammlung um 14.30 auf dem Bundesplatz.