Medientagebuch: Die Freunde der SVP

Nr. 10 –

Carlos Hanimann über verschwiegene Fremdenfeindlichkeit

Im Nachgang zur Abstimmung vom 9. Februar bekamen fast alle ihr Fett ab: Parteien, Verbände, die 49,7 Prozent, die Medien – nicht zuletzt die Redaktion des «Tages-Anzeigers», die ausserdem den Inlandteil des Berner «Bunds» bespielt. Kürzlich wurde auch in diesen Spalten die Rolle des «Tages-Anzeigers» in der Abstimmungsberichterstattung kritisiert. Wir hätten es gerne dabei belassen …

In der jüngsten Samstagsausgabe räsonierte Patrick Feuz, Bundeshauschef von «Bund» und «Tages-Anzeiger», über Fremdenfeindlichkeit. Anlass bot ihm der Auftritt von Mario Borghezio, einem italienischen Lega-Abgeordneten, der letzte Woche im Europaparlament in Strassburg die Schweizer Fahne schwenkte und rief: «Freie Schweiz!» und «Stopp der europäischen Diktatur über ihre Völker!». Borghezio hatte in der Vergangenheit mit rassistischen Ausfällen auf sich aufmerksam gemacht: 2005 etwa fackelte er in Turin die Zelte von MigrantInnen ab, die unter einer Brücke hausten, er fand auch schon anerkennende Worte für Ratko Mladic oder Anders Breivik.

Für Feuz ist Borghezio nur ein «falscher Freund» der SVP: Schliesslich habe Christoph Blocher nach dem 9. Februar erklärt, er verkehre «nicht in dieser Gesellschaft». Gemeint waren der französische Front National oder die deutsche Neonazipartei NPD, die der SVP zum Abstimmungssieg gratuliert hatten. Das Spitzenpersonal der SVP, so Feuz’ Folgerung, sei «weder fremdenfeindlich noch rassistisch».

SVP-Nationalrat Lukas Reimann jedoch freute sich über die Unterstützung im Europaparlament und twitterte: «Borghezios Aktion war cool.» SVP-Nationalrat Oskar Freysinger machte letztes Jahr damit Schlagzeilen, dass in seinem Haus eine Reichskriegsflagge hängt; 2011 begleitete ihn ein Reporter des «Magazins» bei Reisen zu den Rechtsextremen Europas. Oder Dominique Bättig, bis 2011 SVP-Nationalrat: Er trat 2009 in Frankreich an einem Kongress von Rechtsextremen auf und verglich in einem Vorstoss AusländerInnen mit Insekten und Pflanzen. Reimann, Freysinger und Bättig zählt Feuz offenbar nicht zum «Spitzenpersonal». Vielleicht Blocher? Der Milliardär unterstützte als Präsident der «Arbeitsgruppe südliches Afrika» das Apartheidregime und sagte nach dem Tod von Nelson Mandela rückblickend: «Die Weissen hielten das Land damals sehr in Ordnung.» Was ist in diesem Land eigentlich nötig, damit eine Aussage als fremdenfeindlich oder rassistisch gilt?

Feuz schreibt, die SVP trage dazu bei, «dass sich Überfremdungsangst und Fremdenhass in der Schweiz bisher weniger radikal manifestieren als anderswo». Keine Pogrome, keine Mordserien. Frust, Hass, Aggression in der Bevölkerung würden dank ihr in parlamentarische Kanäle gelenkt, wo «verantwortungsbewusste Kräfte» sich bemühten, die Kritik abzubauen. Tatsächlich war es erklärtes Ziel der SVP, rechts von ihr keine andere Partei zuzulassen. So hat sie Neonazis und Rechtsextreme weitgehend in die Partei integriert. Aber sind fremdenfeindliche Positionen denn weniger fremdenfeindlich, wenn sie eine Mehrheit finden?

Eine Leitlinie des «Tages-Anzeigers» lautet, dass die Artikel überraschend sein sollen: Die SVP als antifaschistisches Bollwerk? Das ist so überraschend, dass dem «Tagi» die Kategorien komplett durcheinandergeraten: Für die Neonazimordserie durch den NSU verwendet Feuz denselben fremdenfeindlichen Begriff, der schon die Fahnder auf eine falsche Fährte lockte: «Döner-Morde».

Carlos Hanimann ist WOZ-Redaktor.