Durch den Monat mit Manuel Stahlberger (3): Was ist dein liebster Schweizer Film?

Nr. 16 –

Manuel Stahlberger freut sich über den Austausch zwischen dem Konzert- und dem Kleintheaterpublikum. Und wünscht sich auch sonst ein Land mit weniger Angst.

Manuel Stahlberger: «Offenbar klingen wir etwas psychedelischer als auch schon.»

WOZ: Manuel Stahlberger, letztes Wochenende hattest du mit deiner Band in St. Gallen Plattentaufe. Bist du zufrieden?
Manuel Stahlberger: Ich fand uns eigentlich ganz gut, ging aber auch mit vielen Fragen von der Bühne. Offenbar klingen wir etwas psychedelischer als auch schon, etwas düsterer. Das habe ich bis jetzt gar nicht gemerkt, weil sich die Musik für uns sehr logisch anfühlt. Ich hatte manchmal den Eindruck, die Leute hätten etwas anderes erwartet, etwas Lüpfigeres. Es gab aber auch viele positive Reaktionen.

Einige Zuschauer wollten mehr bekannte Hits hören?
Wir hätten schon viele Songs zum Mitklatschen und Mitsingen, aber Animationen machen kann ich überhaupt nicht. Es geht uns bei unserer Musik nicht um die Wirkung, eher um ein Statement: Da sind wir im Moment, und das machen wir. Sicher werde ich aber noch die Reihenfolge der Songs ändern, um zu schauen, ob sich andere Stimmungen ergeben. Wir sind noch am Ausprobieren, vermutlich immer wieder bis zum Ende der Tournee. Die Konzerte mit der Band sind nicht wie mein Soloprogramm. Dort weiss ich genau, was wie funktioniert.

Heisst das, im Kabarett verlaufen alle Auftritte ähnlich?
Nein, manchmal gibt es konzentrierte Abende, an denen ich mich mit dem Publikum verbündet fühle. Und dann gibt es total laute, bei denen die Leute ab jedem Seich lachen; diese Abende können auch super sein. Am strengsten ist es, wenn sie still sind und ich das Gefühl habe, sie seien gar nicht da.

Dann siehst du dich selbst auf der Bühne?
Ja, dann beginne ich mich selbst zu beobachten. Wobei es mir bei Auftritten selten passiert, dass ich abschweife.

Mit der Band bist du in Konzertclubs unterwegs, als Kabarettist in Kleintheatern. Unterscheidet sich das Publikum in den verschiedenen Lokalen?
Tendenziell ist das Publikum in den Kleintheatern älter. Aber es gibt auch Vermischungen, weil viele Junge, die die Band toll finden, sich dafür interessieren, was ich alleine mache, und dann ins Kleintheater kommen. Und weil umgekehrt Leute, die mich vom Theater her kennen, die Band sehen wollen. Auch wenn sie sich dann irritiert zeigen, weil es zu laut sei und sie die Texte nicht verstehen würden. Ich finde diesen Austausch einen guten Effekt.

Was interessiert dich selbst an den unterschiedlichen Formen?
Mit der Band ist musikalisch alles möglich, ein offenes Feld. Und mir gefällt die übermütige Pfadilagerstimmung beim Unterwegssein. So eine Band ist auch ein Stück weit zum Blödtun zusammen, ich lasse mich dort sicher mehr treiben. Im Kleintheater richtet sich der Fokus auf die Bühne, man sitzt und hört schön zu. Diese Ruhe und Langsamkeit, die ich mir erlauben kann, die absolute Reduktion schätze ich extrem: dass ich zum Beispiel einfach nur die Nummernzettel vom Warten auf der Post zeigen kann.

Die Plattentaufe war ausverkauft, die Kritiken über euer Album sind schon fast euphorisch. Wir sprachen das letzte Mal über deine Distanz zur Welt. Wie gehst du mit dieser Zustimmung um?
Solche Komplimente sind natürlich eine schöne Bestätigung. Manche Lieder lerne ich so wie durch das Live-Spielen neu kennen. Es gab ein paar Kritiken, in denen Sachen interpretiert wurden, die ich so auch rauslesen würde. Sie waren aber nicht der Anlass, den Text zu machen, sie liegen vielmehr darunter. Etwa wenn die Songs politisch gelesen werden, obwohl sie wie Kindergeschichten daherkommen, wie kleine Geschichten.

Auf dem Album gibt es viele Beschreibungen der Schweiz, zum Beispiel im Lied «Schwizer Film». Alles läuft darin nach Routine, am Schluss klopfen die Leute einen Jass und sagen: «Gschobe.» Ist das dein Bild dieser Gesellschaft, dass sie sich nicht entscheiden will und einfach die Verantwortung abschiebt?
«Sie säged gschobe» ist schon ein Bild der SVP: wegschieben, abschieben, keine Verantwortung zeigen. Es ist wahrscheinlich etwas grundsätzlich Menschliches, dass man Angst hat vor dem, was man nicht kennt. Aber wenn man nur Nein sagt, macht mich das hässig. Erst recht in Gegenden, in denen man fast nur unter sich ist und es dann nicht erträgt, dass einem jemand in den Garten trampt – oder nur schon in den Garten trampen könnte.

Apropos, was ist dein liebster Schweizer Film?
«Hans im Glück» von Peter Liechti, seine Schweizer Reise mit ihren vielen kleinen und grossen Beobachtungen. Meine liebste Szene ist, als Liechti unter einer Eisenbahnbrücke durchläuft und sich denkt, es werde sicher super, wenn er filmen könnte, wie da oben ein Zug durchfährt. Und er filmt und filmt, und es kommt einfach kein Zug. Aber wenn er schon so lange gewartet hat, muss sich das Bild doch noch zeigen – und dann ist es schliesslich doch nur ein Zug, der durchfährt. Dermassen langweilig. Grossartig!

Was fasziniert dich an Liechtis Blick?
Das ständige Hin und Her in seinen Filmen: ein liebevoller Blick auf die nahe Umgebung, die Schweiz. Und gleichzeitig so eine Wut darauf.

Manuel Stahlberger (39) lebt als Musiker, Kabarettist und Zeichner in St. Gallen.