Medientagebuch: Ein Kompass verschwindet

Nr. 16 –

Jan Jirát über das Magazin «De:Bug»

Seit sechzehn Jahren bietet das unabhängige Berliner Magazin «De:Bug» die aufgeweckteste, eigenständigste und oft auch unterhaltsamste Lektüre zu jenem Themenbereich, den es im eigenen Untertitel ziemlich schön zusammenfasst: «Elektronische Lebensaspekte. Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung». Die aktuelle Aprilausgabe (Nr. 181) ist nun leider die letzte.

Die Worte über den Tod der eigenen Zeitschrift, die Mitgründer und Chefredaktor Sascha Kösch im März schrieb, sprechen für sich: «Wir wollten immer alles vereinen: Musik, Technik, Netz, Selbstbeherrschung. Wir wollten die Schnittstelle zum Glück sein. Das Glück aber liegt am Ende wohl nicht unbedingt zwischen gedruckten Seiten.» An Ideen für alternative Modelle habe es nie gemangelt, allein «die Umsetzung aus dem Flickenteppich der Unabhängigkeit heraus» habe sich immer als unmöglich erwiesen. «Dann doch lieber mit Liebe die nächste Ausgabe machen.» 

Die «De:Bug»-MacherInnen haben über all die Jahre «in zweifelhafter Selbstausbeutung» nie ihre Haltung verloren. Diese zeichnete sich neben der Unabhängigkeit vor allem durch die Neugier (und den Optimismus) in Bezug auf die Entwicklungen der digitalen Revolution aus. Der Blick auf diesen Prozess und die verwendete Sprache waren oftmals jene des Nerds. Das hat natürlich teils genervt oder überfordert, aber auch immer wieder dafür gesorgt, dass früh wichtige und Orientierung stiftende Fragen gestellt wurden: Kann Filesharing legal sein (Ausgabe Nr. 83; auf der Website www.de-bug.de sind übrigens sämtliche Ausgaben von 2001 bis 2014 als PDF-Dateien abrufbar)? Was bedeuten Streaming-Dienste für das Musikbusiness (Ausgabe Nr. 160)? Machen das Internet und Google uns dumm (Ausgabe Nr. 167)? Die klare, aber differenzierte Antwort lautet: Nein!

Die wichtigste Triebfeder des Magazins war stets die Musik. Elektronische Musik. Mehr als 45 000 Reviews sind erschienen, was gemäss eigenen Berechnungen etwa dem Umfang von 7,3 Bibeln entspricht. Die Stärke lag aber weniger in der Beschreibung elektronischer Musik als in der Auseinandersetzung mit der Produktion dieser Musik. Wo, mit welchen Geräten und unter welchen Bedingungen findet sie statt? Und wie ist es möglich, davon zu leben – als DJ, als Club, als Plattenlabel? Es ist kein Zufall, dass die Debatte um Urheberrechte und die Rolle der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema nirgendwo existenzieller behandelt wurde als in «De:Bug». Sicher auch, weil ein beträchtlicher Teil der rund 25 000 AbonnentInnen vom Thema betroffen war. 

All die Fragestellungen und Schlaglichter auf unsere digitale Alltagswelt waren in ein bildstarkes und flexibles Layout eingebettet, das vor wilden Collagen und neonfarbig hinterlegten Texten nicht zurückschreckte. Auch optisch machte «De:Bug» Spass. Etwas Kritik sei aber doch noch angebracht: Der Konsum, etwa von neuer Technologie oder von überteuerten Sneakers, wurde stets etwas gar doll und unhinterfragt gefeiert. 

«De:Bug», was im Computersprech bedeutet, einen Fehler aufzuspüren und zu reparieren, wird fehlen. Für das Magazin war das Ende aber ein Grund zu feiern: Unter dem Motto «Für ein besseres Morgen» haben zahlreiche prominente «De:Bug»-AutorInnen wie Mercedes Bunz, Dietmar Dath und Diedrich Diederichsen ein grossartiges letztes «Heft voller Manifeste» geschrieben. 

Jan Jirát ist WOZ-Redaktor.