Durch den Monat mit Manuel Stahlberger (Teil 4): Machst du mit beim Stadtmarketing?

Nr. 17 –

Der Musiker Manuel Stahlberger war jahrelang ein Chronist der St. Galler Stadtentwicklung. Der Stadtpräsident hat ihn schon einmal aufs Dach des Rathauses eingeladen.

Manuel Stahlberger: «Diese Stadt lässt einen wirklich wahnsinnig lange in Ruhe.»

WOZ: Manuel, du hast dein ganzes Leben in St. Gallen verbracht. Wolltest du nie wegziehen?
Manuel Stahlberger: Nein, wobei ich nicht weiss, weshalb. Anderswo würde es mir sicher auch gefallen. Vermutlich bin ich einfach zu träge. Ich müsste mich wirklich unwohl fühlen, damit ich aus St. Gallen wegziehen würde. Allerdings bin ich auch oft auf Tour und weiss deshalb nicht, wie es sich anfühlt, wenn man nur für die Ferien wegkommt. Es war für mich jedenfalls immer interessant genug hier. Die Stadt hat eine gute Grösse, um etwas auszuprobieren und zu bewirken. Vor allem, wenn man etwas scheu ist und lieber heimlich anfangen möchte.

In einer grösseren Stadt wärst du nicht Musiker geworden?
Für das Musikkabarett, mit dem ich mit Moritz Wittensöldner begonnen habe, hätten wir in einer grösseren Stadt wie Zürich vielleicht früher eins aufs Dach gekriegt. In St. Gallen kamen immer viele Leute unsere Auftritte schauen, weil niemand etwas Ähnliches gemacht hat wie wir. Für uns war es hilfreich, dass wir uns nicht gleich positionieren und professionalisieren mussten. Diese Stadt lässt einen wirklich wahnsinnig lange in Ruhe. So kann man etwas wachsen lassen.

Mit Herrn Mäder, einem Bünzli mit Schnauz und leichtem Zug ins Anarchistische, hast du überdies eine St. Galler Comicfigur erschaffen. Solange der Comic erschienen ist, warst du also auch ein Chronist der Stadtentwicklung. Hat sich St. Gallen in den letzten Jahren verändert?
Positiv ist zum Beispiel, dass neue Konzert- und Kulturlokale wie das «Palace» oder die «Lokremise» entstanden sind. Wenn man achtzehn oder zwanzig Jahre alt ist, können einem an solchen Orten ganze Welten aufgehen. Wichtig ist die Kontinuität solcher Projekte, weil sie sonst immer wieder von vorne beginnen müssen, was enorm viel Energie kostet. Das Kulturmagazin «Saiten», in dem Herr Mäder erschienen ist, gibt es seit vielen Jahren, es ist ein wichtiger Treffpunkt für Schreiber und Gestalter und entwickelt sich immer weiter. Vermutlich gäbe es in der Gegend auch super Eishockeyspieler, nur entdeckt die niemand, weil es keinen grossen Hockeyklub gibt, wo die sich treffen könnten.

Hatte der kulturelle Aufbruch einen Einfluss auf die Stimmung in der Stadt?
Die Stimmung, möchte ich sagen, hat sich allgemein nicht verändert. St. Gallen ist schon eine Schweiz im Kleinen. Manchmal hat man hier einen Minderwertigkeitskomplex, fühlt sich überhört und übergangen. Dann muss das Standortmarketing Sätze kreieren wie: «St. Gallen kann es.»

Abgesehen von solchen amtlichen Hohlformeln: Was stört dich denn am meisten an St. Gallen?
Wenn die Stadt aus Mangel an grossen Problemen selbst welche erfindet. Zum Beispiel dass sie ein Vorbild sein will für die Sicherheit im öffentlichen Raum. Ab einer gewissen Grösse könnte sich das eine Stadt nicht mehr leisten, weil sie Gescheiteres zu tun hätte, als den Marktplatz mit Videokameras zu überwachen, wo sowieso nichts passiert. Umgekehrt, wenn man sich in einem Nest wie hier solche Sicherheitsprobleme ausdenken kann, habe ich auch viel Platz, mir meine Realitäten auszudenken und zu behaupten, wie ich es im Comic von Herrn Mäder gemacht habe oder in den Liedern meiner Band tue.

In einem neuen Song kommt der grösste Mann der Welt in einer kleinen Stadt zu Besuch. Der Stadtpräsident kommt ihm auf Stelzen entgegen und richtet ihm ein Fest aus. Wollte man dich auch schon fürs Stadtmarketing einspannen?
Einmal, als ich den Salzburger Stier gewonnen hatte, wurde ich aufs Dach des Rathauses eingeladen. Der Künstler Roman Signer und TGG, eine Firma von Buchgestaltern, die ebenfalls einen Preis gewonnen hatten, waren auch da. Es gab Bratwürste, und der Stadtpräsident hielt eine Ansprache, dass wir ein Aushängeschild für St. Gallen seien. Ich fand das doch eher lustig, ein Träger des Labels St. Gallen zu sein. Aber so, wie mich das Polizeireglement für meine Comics inspirierte, bin ich wohl schon eine Inspiration fürs Stadtmarketing. Ich mache so weit mit, wie ich mich nicht verbiegen muss. Was ich nicht mache, sind finanzielle Deals. Ich will niemandem etwas schuldig sein.

Ihr fahrt mit der Band gleich los zu einem Konzert nach Bern. Wie ist das eigentlich mit dem St. Galler Dialekt, in dem du eure Lieder singst? Er gilt als nicht besonders beliebt.
Ich kann mir schon vorstellen, dass es Leute gibt, die ihn mühsam finden, aber in letzter Zeit hat uns niemand mehr darauf angesprochen.

Tatsächlich scheint euer neues Album ein Erfolg zu werden. Es ist direkt auf Platz sechs der Schweizer Hitparade eingestiegen, hinter Gotthard, Johnny Cash und der Schlagersängerin Helene Fischer.
Das hat uns auch überrascht. Und sehr gefreut. Auch wenn wir noch gar nicht wissen, was das für die Verkaufszahlen heisst.

Manuel Stahlberger (39) ist Musiker, Kabarettist und Zeichner. Die «Herr Mäder»-Comics sind im Verlag Saiten erschienen. Das Konzert seiner Band Stahlberger im Zürcher Bogen F ist ausverkauft, für das Zusatzkonzert am Donnerstag, 24. April 2014, gibt es noch Karten.