Güsel im Netz: Fremdenfeindliche Witze gibts hier nur über Rucola

Nr. 17 –

Gabriel Vetter hat fürs Schweizer Fernsehen die Webserie «Güsel» geschrieben, den Chef der Abfalldetektive spielt er gleich selbst. Auch mit dabei im Trio der Pedanten: Olifr M. Guz von den Aeronauten.

Willkommen an der Peripherie der Peripherie: Michael von Burg, Gabriel Vetter und Olifr M. Guz als Herblinger Müllpolizisten. Foto: Jan Sulzer

Kennen Sie den kürzesten Witz über die Schweiz? Er geht so: «Humordebatte». Denn: Wie soll die Schweiz über eine Sache debattieren, die es bei uns gar nicht gibt? (Hier Gelächter einspielen.) Da könnten wir ja genauso gut über alltäglichen Rassismus debattieren. (Richtig lautes Gelächter.)

War das jetzt lustig? Wie mans nimmt, aber es führt direkt zum Kern der Sache. Humor, und der Witz im Besonderen, entzündet sich meist an kulturellen Stereotypen und falschen Gewissheiten. Entscheidend ist, wie man diese auf Hohlstellen abklopft, ohne sie bloss im Dienst des nächstbesten Lachers zu reproduzieren. Güzin Kar schafft das mit ihrer Kunstfigur Hüsnü, wenn sie diese Karikatur des anstössigen Fremdländers zum Ratgeber für alle Lebenslagen befördert. Der haarige Türke profiliert sich als gesellschaftliche Autorität mit Vorbildcharakter.

Einen schönen Schnauz gibts jetzt auch in «Güsel», der neuen Webserie des Schweizer Fernsehens, doch hier ist der Schnauz sauber gestutzt und dunkelblond. Er gehört Gabriel Vetter, der die neun Folgen à knapp zehn Minuten geschrieben hat und auch einen der drei Protagonisten spielt. «Güsel» funktioniert ähnlich wie Hüsnü, aber aus der Optik der Eingeborenen: Hier ist es das schon etwas abgestandene Klischee des Schweizer Ordnungsfanatikers, das in sein Gegenteil verkehrt wird. Vetter spielt einen amtlichen Saubermann, der mit seinen Kompagnons buchstäblich im Müll wühlt, weil es ihr Beruf ist: Die drei Protagonisten von «Güsel» sind Abfalldetektive. Randständig sind sie gleichwohl, denn ihr Arbeitsort ist Herblingen, ein real existierendes Aussenquartier von Schaffhausen. Willkommen an der Peripherie der Peripherie.

Mockumentary aus der Znünipause

Die Figur des spiessigen Abfallpolizisten hat es ja kürzlich schon zum romantischen Kinohelden gebracht, im Film «Recycling Lily» mit Bruno Cathomas. Aber in den Miniepisoden von «Güsel» ist nichts darauf angelegt, dass den Figuren oder gar dem Publikum irgendwie das Herz aufgeht. Die Serie kommt daher als Mockumentary aus der Znünipause, mit Gabriel Vetter als wichtigtuerischem Chef, der auf der Tour durch sein kleines Reich immer wieder verschwörerisch in die Kamera raunt («Der Feind ist natürlich vorsichtiger geworden»). Da will uns einer als KomplizInnen für seine Mission einer sauberen Schweiz gewinnen.

An seiner Seite: Olifr M. Guz von den Aeronauten als verschlafener Griesgram mit Grünzeugphobie und Michael von Burg als treuherziger Vegetarier, der sich streng ökologisch von Lebensmitteln aus dem Abfall ernährt. Jeder der drei ist auf seine Weise ein Pedant, aber der Schlimmste von ihnen bleibt der Chef. «Sprache bestimmt das Bewusstsein», doziert er einmal, im Tonfall irgendwo zwischen Schulmeister und passioniertem Offizier. Und deshalb, so erklärt er, komme ihm das Wort «Abfallsünder» nicht über die Lippen. Schliesslich habe man es hier mit Straftaten zu tun, die man nicht als blosse Sünde bagatellisieren dürfe. Also spricht er konsequent nur von «Abfalltätern», und daran, wie Vetter die Konsonanten betont, hört man, dass er die fehlbaren Subjekte am liebsten an die Wand stellen würde.

Der «Efeu der Gentrifizierung»

«Güsel» sei eine Serie über nichts, sagt Gabriel Vetter und nennt «Seinfeld» als unerreichtes Vorbild für seine Abfalldetektive: wie sie reden um des Redens willen, wie sie die leere Zeit der Znünipause mit Diskussionen füllen, die sich im Kreis drehen. Aber wo es um nichts geht, geht es natürlich immer um alles. Also um die Macht der Sprache, um Überwachen und Strafen und um die Schweiz als Ruheabteil und Einwanderungsparadies. Abfall ist ja immer auch ein Spiegel der Gesellschaft, die ihn produziert. Und so empfinden sich auch die Abfalldetektive als Opfer einer eingebildeten Masseneinwanderung. Die bekommen sie zu spüren in Form von fremden Einflüssen wie Rucola, diesem «Efeu der Gentrifizierung», der die gewachsene Identität des Schweizer Abfalls schwer durcheinanderbringt. Nicht einmal unser Kehricht ist mehr gefeit gegen die Überfremdung.

Rucola als Symptom des Wohlstands wie als Platzhalter für Fremdenangst: Das ist politischer Metahumor, neben dem ein rassistischer Sketch mit einer schwarz angemalten Birgit Steinegger noch viel älter und einfältiger wirkt, als er sowieso schon ist. Der Unterschied: Die Blackface-Nummer lief zur Primetime im ersten Programm, den jungen «Güsel» gibts nur im Netz. Aber wer weiss, vielleicht ist man beim Schweizer Fernsehen doch lernfähig, was Humor angeht. Oder wie sagt der liebste der drei Abfalldetektive einmal: «Kinder sind die Menschen von morgen.»

«Güsel. Die Abfalldetektive» startet 
am 28. April 2014 auf www.srf.ch.