«Affäre Giroud»: Der Weinbaron, der Agent und die CVP-Connection

Nr. 25 –

Die Affäre um den Walliser Weinhändler Dominique Giroud entlarvt einen Geheimdienst, der seine Mitarbeiter nicht im Griff hat. Und sie wirft ein Schlaglicht auf Girouds rechtskonservatives Umfeld, das bis weit in die Walliser Regierung reicht.

Der Nachrichtendienst des Bundes sei nicht in die «Affäre Giroud» verwickelt, stellt der Schweizer Geheimdienst klar. Das stimmt sogar, der Nachrichtendienst (NDB) spielt in der Geschichte um den tiefen Fall des Walliser «Weinbarons» Dominique Giroud, der mutmasslich einen Hackerangriff auf zwei welsche JournalistInnen in Auftrag gab, keine aktive Rolle. Aber ein NDB-Mitarbeiter sitzt zurzeit in U-Haft. Und es gibt Anzeichen, dass weitere Verbindungen zum Geheimdienst bestehen. Deshalb kann sich der NDB nicht so leicht aus der «Affäre Giroud» ziehen. Doch der Reihe nach.

Welche Rolle spielte der NDB?

Am Ursprung steht der Unterwalliser Dominique Giroud. Dieser ist innerhalb von knapp zwanzig Jahren vom Hobbywinzer zu einem der mächtigsten Weinhändler im Kanton aufgestiegen. Doch das Erfolgsbild erhielt im letzten Herbst erste Risse. Die Zeitung «Le Temps» und das Westschweizer Fernsehen RTS, die auch aktuell die wichtigsten Quellen zur Affäre sind, deckten auf, dass der 43-jährige Giroud der Steuerhinterziehung – die Rede ist von über zwanzig Millionen Franken – verdächtigt wird sowie 350 000 Liter Wein gepanscht haben soll.

Für Giroud, der von seinen argwöhnischen Walliser KonkurrentInnen als «hyperaktiv», «durchtrieben» und «kontrollwütig» beschrieben wird, sind die Enthüllungen vor allem ein Verrat. Irgendjemand muss die brisanten Informationen an die Medien getragen haben. Und so kontaktiert der Weinhändler seinen Jugendfreund A. D.*, mit dem er eine tiefe Verbundenheit zur ultrarechten Piusbruderschaft teilt, die im Unterwallis ihren Schweizer Hauptsitz hat. A. D. ist ein Agent des Schweizer Geheimdiensts und gemäss Westschweizer Medien für die Gegenspionage in Bezug auf den Schweizer Finanzplatz tätig. A. D. soll Giroud offenbar helfen, die undichte Quelle ausfindig zu machen.

Dafür rekrutiert der NDB-Agent zwei weitere Mitstreiter: den illustren Genfer Privatdetektiv A. M.*, zu dem er geschäftlich enge Kontakte pflegt – so eng, dass in der Genfer Polizei das Gerücht umging, «die beiden seien ein Paar» –, und den als brillant beschriebenen Genfer Hacker M. R.*, der seine Dienste zuletzt der bundeseigenen Rüstungsfirma Ruag zur Verfügung stellte und der im Westschweizer Fernsehen bereits als Experte gegen Cyberangriffe aufgetreten ist. Sowohl der Hacker wie auch der Privatdetektiv sollen dem Geheimdienst als Informanten gedient haben. Und offenbar wollten die beiden gemeinsam mit dem Agenten A. D. eine private Sicherheitsfirma gründen. Stattdessen sitzen die drei nun in Untersuchungshaft, genauso wie ihr mutmasslicher Auftraggeber Dominique Giroud. Die Hackerattacke ist aufgeflogen, die Indizien sind stichhaltig.

Kurz vor Redaktionsschluss ist bekannt geworden, dass A. M. der Hauptinformant gewesen ist. Am Erscheinungstag dieser WOZ werden die Verhafteten dem Genfer Generalstaatsanwalt zur Konfrontationseinvernahme vorgeführt. Für den NDB könnten die Ermittlungen verheerend werden, sollte sich herausstellen, dass der Agent A. D. für den Auftrag NDB-Infrastruktur benutzt hätte. Offiziell sagt der NDB, sein Mitarbeiter habe keinen Zugriff auf heikle Daten gehabt. Doch dem widersprechen zwei Quellen, die angeben, A. D. habe vollen Zugriff auf die Daten gehabt.

Nicht die erste Affäre

Doch bereits jetzt wirft die «Affäre Giroud» ein fragwürdiges Licht auf den Geheimdienst. Erstens waren es die Genfer Ermittlungsbehörden und nicht der NDB, die den Hackerangriff und die Drahtzieher ans Licht brachten – trotz konkreter Verbindungen zum Nachrichtendienst. Und zweitens war A. D. kein unbeschriebenes Blatt. Der Agent war einst für die Genfer Polizei tätig und bereits dort in eine brisante Affäre verwickelt: Er betreute den Spitzel Claude Covassi, der vor rund zehn Jahren die Genfer Islamistenszene ausspionieren sollte. Doch Covassi scheiterte mit seinem Auftrag; er wandte sich an die Medien und sagte, man habe ihn für illegale Spionage missbraucht. Der Fall ist 2007 von der parlamentarischen Aufsicht durchleuchtet worden. Die Rolle von A. D. wird kritisch beurteilt, er habe «freundschaftliche Beziehungen» zu Covassi gepflegt und sei der Meinung gewesen, man müsse sein «Ego schmeicheln, auch auf die Gefahr hin, dass hie und da etwas aus dem Ruder laufe». Doch was passierte nach der «Covassi-Affäre»? Der Geheimdienst heuerte A. D. an.

Der NDB-Chef schweigt

Nachrichtendienstchef Markus Seiler, der der WOZ ein Interview im Zusammenhang mit der «Affäre Giroud» verwehrte, betont in anderen Medien, sein betroffener Agent sei über eine «externe Personensicherheitsprüfung der höchsten Stufe» geprüft worden, und diese Stelle «gab grünes Licht». Seilers Darstellung der «externen» Prüfstelle ist jedoch fragwürdig, denn wie der NDB gegenüber der WOZ bestätigt, ist die Prüfstelle dem Verteidigungsdepartement unterstellt – wie der Geheimdienst auch. Es entsteht einmal mehr der Eindruck, der Nachrichtendienst habe sein Personal nicht im Griff. Doch statt endlich wirklich unabhängige Personalkontrollen einzuführen und die demokratische Kontrolle des NDB zu gewährleisten – die Aufsicht üben zurzeit sechs ParlamentarierInnen im Nebenamt aus, die dem Bundesrat gegenüber rechenschaftspflichtig sind –, diskutiert die Politik darüber, dem Geheimdienst über ein neues Gesetz massiv mehr Kompetenzen zuzugestehen.

Die «Giroud-Affäre» wirft aber nicht nur auf den Geheimdienst ein Schlaglicht. Der Aufstieg und Fall des Unterwalliser Weinhändlers wäre ohne das rechtskonservative politische Netz, in dem sich Dominique Giroud bewegt hat, nicht geschehen.

Ein Konto auf den Jungferninseln

Giroud war schon immer mehr als «nur» ein Weinhändler. Bereits 1997 trat der fünffache Vater und bekennende Sympathisant der Piusbruderschaft politisch in Erscheinung: mit einer Plakatkampagne gegen Abtreibungsbefürworterinnen, die er als Mörderinnen darstellte, wofür Giroud wegen Ehrverletzung verurteilt wurde. Später diffamierte er anlässlich der Gay Pride in Sion Homosexuelle als Kriminelle und Krankheitsträger.

Besonders eng ist das politische Verhältnis zum jetzigen Walliser Finanzdirektor Maurice Tornay. Giroud hat den CVP-Politiker, dem ebenfalls eine Nähe zur Piusbruderschaft attestiert wird, mit Wahlkampfspenden unterstützt. Pikanter ist die Tatsache, dass Tornays Treuhandbüro, das er vor seiner Wahl in die Walliser Regierung 2009 leitete, für die Revision von Girouds Unternehmen zuständig war. Also genau in jener Zeit, in die die mutmasslichen Steuerdelikte fallen. Im kommenden Herbst entscheidet das Kantonsparlament, ob eine parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt wird.

Es kommt noch besser: Girouds Gelder soll ein gewisser Peter Hess über die Treuhandfirma «Torcularia Holding AG» auf einem Konto auf den britischen Jungferninseln platziert haben. Hess war vor vierzehn Jahren Nationalratspräsident und wäre 1999 beinahe CVP-Bundesrat geworden.

Dominique Giroud pflegt allerdings nicht nur zur CVP enge Kontakte. Auch der SVP-Nationalrat und Walliser Bildungsdirektor Oskar Freysinger zählt zu seinem Bekanntenkreis. So hat Giroud dem SVP-Politiker einen privaten Saal für einen geplanten Auftritt des holländischen Rechtspopulisten Geert Wilders angeboten. Ausserdem vermelden welsche Medien, dass Freysinger für seinen erfolgreichen Wahlkampf um einen Sitz in der Walliser Regierung Spenden von Giroud erhalten habe. Trotz mehrmaliger Anfrage der WOZ schweigt Freysinger über sein Verhältnis zu Dominique Giroud und seine Einschätzung zum mutmasslichen Steuerdelikt, das er letzten Herbst noch als «Streitsache, die in der Schweiz täglich vorkommt», bezeichnet hat.

* Namen der Redaktion bekannt.