Der Irak, die USA und der Iran: Unkalkulierbare Kriegsdynamik

Nr. 25 –

Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Diese Erfahrung machen die USA jetzt im Irak. Ihr gemeinsam mit Britannien geführter Krieg gegen den Irak vom Frühjahr 2003 und die nachfolgende achtjährige Besetzung des Landes durch US-amerikanische SoldatInnen schufen die wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass die dschihadistisch-salafistische Organisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) entstand, sich stark entwickelte und nun mit ihren Verbündeten grosse Erfolge feiert.

War es ein Fehler, dass US-Präsident Barack Obama die US-Truppen bis Ende 2011 vollständig aus dem Irak abgezogen hat, wie ihm seine republikanischen GegnerInnen jetzt vorwerfen? Nein. Denn auch die einst über 100 000 US-amerikanischen Besatzungssoldat–Innen haben die sunnitischen Aufständischen im Irak nie militärisch besiegen können – trotz eigentlicher Vernichtungsaktionen, denen zum Beispiel im nordirakischen Falludscha über 25 000 Menschen zum Opfer fielen, darunter viele Unbeteiligte. Die Präsenz der US-Besatzungstruppen und ihre Militäraktionen haben dem Isis zu einem grossen Zulauf kampfbereiter Dschihadisten aus dem Irak und dem Ausland verholfen.

Ähnlich kontraproduktiv würde sich eine erneute Entsendung von US-Truppen in den Irak auswirken. Ganz abgesehen davon, dass dies für Obama wegen sehr wahrscheinlicher innenpolitischer Widerstände ohnehin nicht infrage kommt.

So ist zu befürchten, dass sich der US-Präsident für einen Drohnenkrieg gegen den Isis entscheidet – und damit für die schlechteste aller denkbaren Optionen. Die US-amerikanischen Drohneneinsätze in den bisherigen Zielländern Pakistan, Afghanistan, Jemen und Somalia haben sich als das erfolgreichste Rekrutierungsmittel für die dortigen dschihadistischen Organisationen erwiesen.

Auf einer Kooperation zwischen den USA und dem Iran zur Bekämpfung des Isis sollten keine allzu grossen Hoffnungen beruhen. Ein gemeinsamer Feind ist allein noch keine ausreichende Basis für gemeinsames Handeln. Angesichts der Meldungen über den Vormarsch des Isis im Irak fordern in Washington inzwischen zwar selbst republikanische PolitikerInnen eine solche Kooperation, obwohl sie bis anhin Obamas Nuklearverhandlungen mit Teheran als Verrat verteufelten und durch neue Sanktionen sabotieren wollten. Anders in Teheran, da wendet sich die Fraktion der Hardliner strikt gegen Präsident Hassan Rohanis Kooperationsangebote gegenüber Washington.

Ein grosses Hindernis ist der Bürgerkrieg in Syrien, in dem die USA und der Iran auf entgegengesetzter Seite stehen. Solange der von Teheran und Moskau unterstützte syrische Präsident Baschar al-Assad an der Macht bleibt, wird der Bürgerkrieg weitergehen – und Syrien ein Operations-, Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet für den Isis bleiben. Solange die USA und andere westliche Staaten sowie Saudi-Arabien und weitere arabische Länder Waffen an die syrische Opposition liefern, wird ein Teil dieser Waffen beim Isis landen.

Abgesehen von den Hindernissen für eine Kooperation zwischen den USA und dem Iran: Worin sollte sie konkret bestehen? Beide Mächte haben in den letzten Jahren ihre Einflussmöglichkeiten auf den irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki nicht genutzt, um diesen zu einer Politik des Ausgleichs zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen zu bewegen. Dafür ist es nun wohl zu spät. Gegen einen gemeinsamen Militäreinsatz zur Bekämpfung des Isis – was in Washington wie in Teheran im Übrigen sowieso kategorisch ausgeschlossen wird – sprechen ähnliche Bedenken wie gegen alleinige Militäraktionen der USA.

Noch komplizierter würde die Lage, sollte der Isis seine Ankündigung wahr machen, nicht nur Bagdad und Damaskus, sondern auch Jerusalem zu erobern zu versuchen. Angriffe des Isis in israelischem Hoheitsgebiet könnten eine völlig unkalkulierbare Kriegsdynamik im ganzen Nahen Osten auslösen.