Pensionskassen: Darf man in Novartis noch investieren?

Nr. 41 –

Der Fall der Pensionskasse Nest zeigt: Selbst Kassen, die sich als ethisch besonders sensibel bezeichnen, sind nicht vor Investitionen in Titel von fragwürdigen Firmen gefeit.

Wenn eine Schweizer Pensionskasse in eine US-amerikanische Söldnerfirma investiert, ist das schon an sich fragwürdig. Unverständlich ist es, wenn ausgerechnet die Sammelstiftung Nest dies tut, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, ethisch und ökologisch anzulegen.

Nest wurde 1983 als eine alternative Pensionskasse mit sozialem Anspruch gegründet; inzwischen gehören der stetig wachsenden Stiftung fast 2900 Betriebe an, darunter Greenpeace und WWF Schweiz, die Alternative Bank, die Grünen Zürich, der Verein Alpen-Initiative – und auch die WOZ. Die Anlagekriterien der Kasse verbieten es ihr unter anderem, Investitionen in Firmen zu tätigen, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, Gewaltregime unterstützen oder Geld mit Rüstung verdienen.

Nun aber ist bekannt geworden, dass die Kasse bisher an einem Fonds mit dem Namen AXA WF Global High Yield Bond beteiligt war, der Titel der Firma Dyncorp enthält, die unter anderem Verhöre im irakischen Foltergefängnis Abu Ghraib durchführte.

Aufgedeckt hat dies einer der bei Nest angeschlossenen Betriebe, dessen Vertreter an der kürzlichen Jahresversammlung Ende September den Präsidenten des Stiftungsrats, Felix Pfeifer, damit konfrontierte – welcher die Kritik erst einmal wortkarg zur Kenntnis nahm.

Zu wenig geprüft?

Inzwischen hat die Stiftung reagiert. In einem Rundschreiben lässt sie ihre Versicherten wissen, dass sich Nest aus dem zweifelhaften Fonds zurückzieht. Der Dyncorp-Titel habe sich «in den Augen von Nest als kritisch herausgestellt». Aufgrund der Kritik an der Jahresversammlung habe Nest das AXA-Management erst einmal dazu aufgefordert, den Titel aus dem Fonds zu eliminieren; dieses habe sich jedoch geweigert. Mit der nachfolgenden Entscheidung, aus dem Fonds auszusteigen, so Nest, «unterstreicht die Pensionskasse bewusst ihren Grundsatz der verantwortungsbewussten Investition der ihr anvertrauten Vorsorgegelder».

Jenseits der PR-Floskel stellen sich jedoch weitere Fragen: Wusste die Stiftung, dass sich im Fonds Titel von Dyncorp befinden? Oder werden die Anlagen zu wenig genau geprüft? Geschäftsleiter Peter Geriger gegenüber der WOZ: «Wir wussten nichts davon.» Man habe sich auf das AXA-Management verlassen, das den Fonds als «nachhaltig» verkaufe. Das Anlageprodukt umfasse insgesamt 450 Titel, wovon Dyncorp, der nur 0,7 Prozent des Fonds ausmache, eine Ausnahme darstelle.

Nest wird zu einem Spagat gezwungen, um neben ihrem sozialen Anspruch gleichzeitig auch die Mindestrendite zu erzielen, die das Gesetz letztlich vorschreibt. Dies hat die Pensionskasse zu einer weiteren zumindest fragwürdigen Anlage verleitet, die – auf Kritik der WOZ hin – an der Jahresversammlung ebenfalls zu reden gab: Unter jenem Teil der verwalteten Vermögen, den Nest in Schweizer Aktien hält (7,3 Prozent), sind Roche und Novartis die bei weitem grössten Einzeltitel. Zusammen machen sie über 18 Prozent der Schweizer Aktien aus.

Wie «nachhaltig» ist Novartis?

Novartis steht derzeit allerdings unter anderem in den USA wegen Verdacht auf Schmiergeldzahlungen vor Gericht: Das Basler Unternehmen soll ÄrztInnen über Jahre im grossen Stil horrende Rednerhonorare und teure Essen bezahlt haben, damit diese vermehrt Novartis-Medikamente gegen Diabetes und Bluthochdruck verschreiben. Vergangene Woche erst hat das Bezirksgericht Manhattan entschieden, die entsprechende Regierungsklage zuzulassen. Ist das kein ausreichender Grund, um die Aktien zu verkaufen? Zumal es Nest gemäss den Anlagekriterien ja untersagt ist, in Firmen zu investieren, die in Korruption verwickelt sind?

Geschäftsleiter Geriger hält fest, dass die Pensionskasse bei allen Anlageentscheiden die Bewertung der grössten Schweizer Nachhaltigkeits-Ratingagentur Inrate konsultiere. Anhand eines ziemlich ausführlichen Punktebewertungssystems stufe Inrate derzeit sowohl Roche als auch Novartis als «investable», also als investierbar, ein. Novartis wurde erst 2012 in das Portfolio von Nest aufgenommen, nachdem es in der Bewertung Punkte dazugewonnen hatte. Das Fazit von Inrate zu Novartis: «Das Nachhaltigkeitsrating von Novartis liegt sowohl im Öko-Bereich als auch im Sozial-Bereich deutlich über dem Durchschnitt des Sektors.»

Alles bestens also? «Nein», sagt Geriger, «der US-Gerichtsfall ist ein grosses Problem.» Allerdings sei zuerst abzuwarten, ob der Konzern rechtskräftig verurteilt werde. Treffe dies ein, so Geriger, werde sich dies automatisch auf die Bewertung auswirken, die Inrate vom Konzern erstelle. Gut möglich, dass Nest den Titel dann wieder abstossen wird. Aufgrund der Kritik an der letzten Jahresversammlung habe man darüber hinaus Inrate um eine Überprüfung sowohl von Novartis als auch von Roche gebeten. Der Geschäftsleiter von Nest will dies als «gelebte Basisdemokratie» verstanden wissen. Das Resultat steht noch aus.

Allerdings hält Geriger klipp und klar fest: «Hundert Prozent nachhaltig anlegen ist schlicht nicht möglich.»