Eine Familie mit drei Eltern: Zu dritt – aber alleinerziehend

Nr. 50 –

Isa, Seraina und Pascal aus Basel betreuen gemeinsam ihren Sohn. Gerne wären sie auch ganz offiziell zu dritt Eltern von Bela. Aber für ihre Familie gibt es noch keine Rechtsform.

  • «Ein anonymer Samenspender kam für uns nicht infrage»: Nun betreuen Seraina Sprecher (links), Isa Mele (rechts) und Pascal (Mitte) den einjährigen Bela zu dritt.
  • «Wenn Pascal die Vaterschaft anerkennt, bin ich draussen»: Trotz eingetragener Partnerschaft mit Seraina (links) hat Isa (nicht im Bild) keinerlei Rechte, was den gemeinsamen Sohn Bela betrifft.

Manchmal habe sie Angst, sagt Isa Mele. Angst, dass Pascal* heimlich aufs Zivilstandsamt geht und seine Vaterschaft anerkennt. Obwohl er versprochen hat, das auf keinen Fall zu tun.

Pascal ist der Vater des kleinen Bela, der am 10. Dezember ein Jahr alt geworden ist. Isa Mele ist eine von Belas zwei Müttern, ihre Partnerin Seraina Sprecher hat den Buben zur Welt gebracht – Isa (42), Seraina (37) und Pascal (39) sind Belas Eltern. Sie sind zu dritt für Betreuung und Unterhalt verantwortlich, möchten alle drei als Eltern anerkannt sein und auch das Sorgerecht teilen. Aber so eine Familie ist in der Schweiz nicht vorgesehen.

Bela interessiert das alles noch nicht. Er kommt gerade sehr vergnügt vom Füttern mit Papi Pascal. «Er hat nicht viel gegessen. Aber lustig hatten wirs!»

Einen bis zwei Tage in der Woche betreut Pascal das Kind – vorerst nur tagsüber, weil Seraina noch stillt. Den Rest der Zeit lebt Bela bei Seraina und Isa in einer gemütlichen Altbauwohnung im Basler Gundeliquartier. Die Gemüsegärtnerin und die selbstständige Handwerkerin sind seit bald neun Jahren ein Paar. Auch Pascal hat einen Freund, doch der lebt in einer anderen Stadt. «Er ist froh, dass er einfach mal zuschauen kann, wie es läuft», sagt Pascal.

Weil eine Elternschaft zu dritt rechtlich nicht möglich ist, gilt Seraina nun als alleinerziehend: «Man kann auf der Geburtsurkunde nur Mutter und Vater eintragen, etwas anderes geht nicht.» Obwohl Seraina und Isa in einer eingetragenen Partnerschaft leben, hat Isa keine Rechte, was Bela angeht. Nur Pflichten: Das Erziehungsdepartement hat schriftlich festgehalten, dass sie gemeinsam mit Seraina für seinen Lebensunterhalt aufkommt. Bela bekommt für die ersten beiden Lebensjahre einen Beistand, obwohl die Eltern das gar nicht wollen.

Ende November hat der Bundesrat angekündigt, dass er Paaren in eingetragenen Partnerschaften die Stiefkindadoption ermöglichen möchte (vgl. «Die Schweiz hinkt hinterher» im Anschluss an diesen Text). Früher oder später wird Isa Bela also adoptieren dürfen – doch das wird das Problem der Dreielternfamilie nicht lösen: «Wenn ich adoptiere, ist Pascal draussen. Wenn er die Vaterschaft anerkennt, bin ich draussen.»


Isa: Ich bin in Arbon am Bodensee aufgewachsen. Meine Mutter kommt aus Slowenien, mein Vater aus Italien. Mir war immer bewusst, dass ich keine Schweizerin bin. Aber weil ich Schweizerdeutsch konnte und nicht anders aussah, fiel ich nicht auf. Andere wurden «Tschinggeli» gerufen.

Mein Vater arbeitete bei Saurer. Dreischichtbetrieb, jede Woche Schichtwechsel. Er war ein zurückhaltender Mensch, kein «typischer Italiener». Meine Mutter war das Gegenteil; mit ihr habe ich gespielt, gelacht, getanzt. Sie kannte viele Leute, war in Vereinen, ist mit uns rausgegangen.

Als ich zehn war, liess sich die ganze Familie einbürgern. Meine Mutter sagte: «Jetzt dürfen wir mitreden und mitbestimmen, das ist ein Privileg.» Für mich war immer klar, dass ich das Recht nutzen werde, meine Stimme abzugeben.

Seraina: Meine Eltern haben sich in Breitenbach im Schwarzbubenland ihren Traum verwirklicht: ein ökologisches Haus mit Sonnenkollektoren, einem grossen Garten mit Teichen – wir waren voll die Ökofamilie. Ich habe schon ein bisschen darunter gelitten … nein, ich fand es eigentlich okay, aber die anderen Kinder lachten über meine Kleider, meinen Znüni, ich war das «Gmüesfraueli». Ich nahm es mit Humor.

Mein erstes Gärtli, den ersten Quadratmeter, hatte ich mit zwei Jahren. Zusammen mit meinem Vater pflanzte ich an, was ich wollte. Mit zwölf nahm ich das Gärtnern dann richtig ernst, spatete für ein Kürbisfeld die Wiese um und sammelte in der Dämmerung die Schnecken ein. Es gibt stolze Fotos von mir mit meinen Kürbissen. Ich wollte immer Kinder, einen grossen Garten und ein Haus, an dem ich herumbasteln kann.

Isa: Seraina habe ich im Kino kennengelernt. Ich arbeitete als Technikerin in den Kultkinos, sie als Operatrice im Kino Atelier. Als Seraina ins Ausland ging, konnte ich sie vertreten. Als sie zurückkam, lernte ich sie an den Sitzungen besser kennen.

Ich merkte, dass da etwas passierte mit mir, und war im Clinch, denn ich war glücklich mit meiner Freundin. Da kam Seraina und sagte, sie sei in mich verliebt. Ich war ganz verdattert. Und realisierte, dass ich mich auch verliebt hatte.

Ich ging drei Wochen in ein Hüsli im Bernbiet, um Abstand zu gewinnen. Als ich zurückkam, war für mich klar: Ich will bei meiner Freundin bleiben. Ich sagte Seraina, ich wolle sie vorerst nicht sehen. Aber nach zwei Wochen schrieb sie mir ein SMS. Ich fand das so frech! Aber ich bekam ganz zittrige Beine. Ich hätte absagen können, aber ich merkte, mein Herz und mein Bauch reden ganz anders als mein Verstand.

Seraina: Ich wollte sie haben, ich war besessen davon, ich liess keine Ruhe. Wenn ich etwas will, will ich es total. Als wir dann zusammen waren, war ich überzeugt: Das ist es. Ich wollte eine Vertrautheit, die noch gar nicht möglich ist nach so kurzer Zeit. Ich wollte ihre Familie kennenlernen, zusammenwohnen … Ich hatte einen solchen Drang, das Leben zusammen zu gestalten. Isa ging es langsamer an. Ich necke sie manchmal: «Du Pessimistin!» Aber sie sagt, sie sei bloss realistisch. Ich wollte schneller dort sein, wo wir jetzt sind. Ich habe damals von dem geträumt, was wir heute haben.

Der Kinderwunsch war immer da. Meine damalige Freundin hatte schon ein Kind. Sie konnte sich vorstellen, mit mir noch eins zu haben, aber es war für sie nicht mehr so dringend. Isa hatte den Wunsch auch, aber ihre Freundin wollte gar nicht. Bei ihr ist er neu aufgeflammt, als wir zusammenkamen. Wären wir ein Mann und eine Frau, hätten wir wohl schon vor fünf Jahren unser erstes Kind bekommen.

Isa: Ich kenne niemanden, der so klar und fest und überzeugt wie Seraina sagt: «Ich will Kinder.» Schon als ich sie kennenlernte. Für mich war es auch wichtig, aber ich wollte es nicht allein machen. Ich glaube, Seraina hätte es allein gemacht, wenn ich nicht gewollt hätte.

Die Siebenjahreskrise

Seraina: Dann begann die lange Männersuche. Eine Freundin von mir hatte einen schwulen Kollegen, den wir sympathisch fanden. Isa versuchte als Erste, schwanger zu werden, weil sie älter ist als ich. Aber bevor es klappte, sprang er ab. Auf eine komische Art, per Mail. Er habe sich in eine Frau verliebt und wolle jetzt mit ihr Kinder. Später war er aber doch wieder mit Männern zusammen.

Uns war immer wichtig, dass das Kind den Vater kennenlernen kann. Ich denke nicht, dass Kinder unbedingt mit dem Vater aufwachsen müssen, es gibt ja genug andere Männer in ihrem Leben. Aber ein anonymer Samenspender kam für uns nicht infrage.

Wir trafen drei, vier Männer über die Website Family Project, und es war jedes Mal ganz schlimm. Einer seltsamer als der andere. Einer war ein Schwuler, der auf dem Flughafen arbeitete, dauernd herumjettete, sehr schick gekleidet war. Ich war zuerst offen, aber ich merkte, er lebt in einer völlig anderen Welt, über die wir auch nicht positiv reden können. Einer war schon vierzig und wohnte noch bei den Eltern …

Dann trafen wir einen Genfer, den wir megasympathisch fanden. Wir verliebten uns beide in ihn, aber kurz darauf lernte er ein Frauenpaar in Genf kennen. Das passte ihm verständlicherweise besser. Wir waren am Boden zerstört.

Dann hatten Isa und ich unsere grosse Krise. Unsere Siebenjahreskrise. Da waren Kinder eine Weile kein Thema mehr.

Isa: Wir prallen sehr heftig aufeinander, wenn wir streiten. Es knallte immer wieder. Ich wollte in eine Paartherapie. Wir wussten nicht mehr, wie wir miteinander reden sollten. Vielleicht spürte Seraina, dass ich nah dran war zu gehen. Die Therapeutin war unglaublich – schon nach der ersten Stunde hatten wir ein Aha-Erlebnis. Wir gingen dann noch drei-, viermal hin, aber den Kern unseres Problems hatten wir erfasst. Es geht nur noch darum, sich diesen Kern immer wieder bewusst zu machen.

Seit der Genfer abgesagt hatte, hatten wir nicht mehr über Kinder geredet. Ich hatte Angst und fragte mich: Lasse ich mich hineinziehen, weil Serainas Wunsch so gross ist? Ich dachte immer wieder darüber nach. Dann schrieb ich Seraina einen Liebesbrief: «Ich will mit dir sein und mit dir Kinder haben.» Wir beschlossen, im erweiterten Bekanntenkreis zu suchen, per Mail.

Seraina: Wir bekamen zwei Antworten: von einem Männerpaar und von Pascal. Er schrieb ein sehr sympathisches Mail. Von Anfang an gefiel uns seine Art, sich auszudrücken. Wir googelten auch sein Bild und fanden ihn megaherzig. Er schlug das Genossenschaftsrestaurant Hirscheneck als Treffpunkt vor, das fanden wir super. Wir merkten, wir sind auf einer Wellenlänge. Schon beim ersten Treffen im Herbst 2012 war alles total unkompliziert.

Isa: Zwei Bekannte leiteten unser Mail an Pascal weiter – er kennt viele Leute, die wir auch kennen. Das ist toll, so haben wir uns das immer gewünscht. Wo man sich bewegt, wie man sich bewegt auf dieser Welt, ob politisch, wirtschaftlich oder kulturell – wir passen zusammen. Schon nach dem ersten Treffen fanden wir: Eigentlich können wir loslegen.

Pascal: Ich mache Theater. Das fing schon im Kindergarten an. Wir spielten das Märchen der sechs Schwäne; ich kämpfte darum, auch mal die Prinzessin spielen zu dürfen. Am nächsten Tag habe ich mit anderen Kindern den «Wolf und die sieben Geisslein» inszeniert. Seither weiss ich, dass ich Theater machen will.

Ich komme aus einem bürgerlichen Unternehmerhaushalt, habe eine lange Auseinandersetzung mit meiner Familie hinter mir. Meine Eltern zweifelten daran, dass das gut kommt mit dem Theater. Darum ging ich zuerst in eine KV-Lehre. Ich habe alle Prüfungen bestanden, die mir die Familie auferlegt hat … Aber ich habe schon früh Regieassistenzen in der freien Szene gemacht. Mit 25 habe ich dann noch Theater studiert.

Zu Hause war es Pflicht, dass ich Fasnacht mache. Ausgerechnet in einer Männerclique! Leider war das Klima total homophob. Wie dort über mich geredet wurde, als ich das Coming-out hatte, weiss ich nicht. In Basel triffst du dich das ganze Jahr mit deiner Clique. Es gibt eine kurze Gnadenfrist von der Fasnacht bis Anfang Sommer. Aber vor den Sommerferien fängt es schon wieder an.

Am Waldrand gefunden

Seraina: Pascal machte die verschiedenen Tests – HIV, Hepatitis, Syphilis. Alles war gut. Also versuchten wir gleich beide, schwanger zu werden, Isa und ich. Statt noch Zeit zu verlieren. Bei mir schlug es schon im Frühling 2013 ein. Wir dachten, im schlimmsten Fall werden wir beide schwanger, und eine kriegt noch Zwillinge … Im Sommer wurden wir dann langsam vernünftig.

Ich hatte ein gutes Gefühl, aber ich wappnete mich für den Fall, dass das Kind wieder geht. Die Schwangerschaft war extrem unkompliziert. Ich begann die Probleme richtig zu suchen: Ja, wenn ich es mir überlege, ist mir ein bisschen schlecht …

Pascal: Früher stellte ich mir immer vor, ich sei ein Landstreicher im Mittelalter, der am Waldrand ein Neugeborenes findet, es aufnimmt und merkt, das geht ja ganz gut. Und so zu einem Kind kommt. In dieser Geschichte steckt etwas Wichtiges drin: dass ich die Pflicht übernehme, für ein Kind zu sorgen, aber mir egal ist, woher es kommt. Wir hätten Bela auch am Waldrand finden können, oder er könnte von meinem Freund sein. Für mich spielt das keine Rolle. Ich finde den ganzen Biologismus rund um das Kinderhaben fragwürdig. Ich möchte die Herausforderung annehmen, mich zwanzig Jahre lang intensiv einem Menschen zu widmen, der aufwächst. Es geht mir nicht darum, wer genetisch beteiligt ist.

Während der Schwangerschaft trafen wir uns regelmässig und besprachen uns. Seraina war total grosszügig und toll – ich durfte auch ihren Bauch berühren. Wir haben sogar diskutiert, ob wir sie bei der Geburt beide unterstützen, Isa und ich. Aber das war weit entfernt von dem, was wir leisten konnten; das wurde uns allen klar. Wir kannten uns ja noch nicht so gut. Jetzt sind wir uns schon viel näher.

Seraina: Wir entschieden uns für das Geburtshaus Basel. Geburtstermin war der 1. Januar. Aber Ende November hatte ich einen vorzeitigen Blasensprung und musste ins Spital.

Natürlich gebären war mir sehr wichtig. Ich wollte das erleben. Ich bin sehr froh, dass es geklappt hat. Es klingt vielleicht seltsam, aber ich fands lässig. Abgefahren. Es macht einfach mit einem. Läuft einfach ab, du musst gar nicht so viel wissen. Es ist so eine Wucht, du kannst gar nicht anders als stöhnen und mitschnaufen.

Morgens um sieben war Schichtwechsel, da kam die Hebamme, die uns zehn Tage zuvor in Empfang genommen hatte. Eine sehr Direkte, sehr Lustige. Sie sah den Rapport und rief: «Frau Sprecher gehört mir!»

Dann kam dieses blutige Bündel raus. So lustig. Bis dahin fand ich alles sehr abstrakt. Surreal. Aber tatsächlich, da ist ein lebendiges Kind. Ich machte mir null Gedanken darüber, ob es ein Bub oder ein Mädchen ist. Dass es überhaupt ein Geschlecht hat. Erst nach ein paar Minuten untersuchten sie es, und ich sah zufällig: Es ist ein Bub. Bela kam am 10. Dezember morgens um elf auf die Welt.

Pascal: Ich fühlte mich sehr wohl, als ich während der Geburt im Gang wartete. Wie in einem italienischen Sechzigerjahrefilm. Irgendwann rief Isa an, es sei ein Bub. Es ging dann aber noch eine Stunde, bis ich ihn sehen konnte. Das war für mich kein Problem – was muss ich jetzt irgendwo hinpreschen, er wird hoffentlich neunzig oder hundert Jahre leben!

Für mich hatte die ganze Situation viel mit Theater zu tun: Man ist Meister darin zu akzeptieren, dass es eh anders kommt als geplant, und kann trotzdem happy sein damit.

Schlaflose Nächte

Seraina: Es war ganz praktisch, noch einen Moment im Spital zu bleiben: schön geheizt, das Bad gleich daneben, Verpflegung ans Bett. Am übernächsten Tag gingen wir nach Hause. Dort mussten wir wieder selber kochen, den Holzofen einfeuern, und das WC ist eine Treppe tiefer im Hausgang. Es machte mir nichts aus, dass meine Bekannten und die von Isa da waren, aber Pascals auch noch – das war mir zu viel. Ich wollte das Kind gar nicht allen zeigen, ich war in meinem Glück mit Isa und Bela. Ich wollte in dieser Wolke sein und mich nicht noch mit vielen Leuten auseinandersetzen. Wir sagten Pascal dann, er solle ein paar Tage nicht kommen. Er war super, verständnisvoll, las viel über das Wochenbett und wie es einer Mutter da gehen kann. Vielleicht war er doch verletzt, aber ich fand es beeindruckend, wie er es nehmen konnte.

Pascal: Als Seraina mich nicht sehen wollte, bekam ich schon Angst. Was ist, wenn sie mich auf einmal total ablehnen? Ich habe immer wieder mal eine schlaflose Nacht wegen Bela. Aber dann frage ich mich: Hätte ich lieber keine schlaflose Nacht und keinen Bela? Dann ist es wieder klar.

Isa: Für mich wäre es nicht anders, wenn ich schwanger gewesen wäre. Ich hätte gern noch ein leibliches Kind. Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für Bela – ich habe mich extrem gefreut, als Seraina schwanger wurde, und war nie neidisch.

Wir entschieden, wir geben Pascal nicht als Vater an. Jetzt ist Seraina offiziell alleinerziehend. Für Pascal ist das nicht glücklich und für mich auch nicht. Pascal meinte einmal, es sei ok, so seien wir beide gleichberechtigt in der Benachteiligung. Aber ich habe doch mit Seraina ein Kind, und Pascal ist der Papi. Das ist doch nicht das Gleiche wie alleinerziehend!

Pascal: Es war sehr stark Serainas und Isas Wunsch, dass ich die Vaterschaft nicht anmelde. Bei der aktuellen Gesetzeslage ist es auch das einzig Richtige in einer Konstellation, wie wir sie leben. Ich fand es immer seltsam, wenn Leute sagten: «Du musst dich dann schon absichern.» Ich frage mich, ob das auch eine seltsame verdeckte Homophobie sein kann, die sich in einer Pseudosorge um mich äussert.

Wir haben nichts schriftlich festgehalten. Es ist nutzlos, weil es rechtlich sowieso nicht bindend ist. Ich muss auf den gesunden Menschenverstand hoffen. Aber ich weiss, manchmal ist der einfach nicht da. Ich habe ein Testament geschrieben, irgendwann in einer schlaflosen Nacht, aber dann gemerkt, dass ich das noch notariell beglaubigen müsste.

Das Recht spannt ein Sicherheitsnetz, das gewisse Leute einschliesst und andere nicht. Wir wollen unsere Sicherheiten und Unsicherheiten offiziell genauso auf drei aufteilen, wie wir das real auch machen.

Isa: Pascal will präsent sein, Familie haben, vielleicht mehr, als möglich ist. Zurzeit hat er Bela einen bis zwei Tage in der Woche. Es ist eine Herausforderung, wir müssen viel diskutieren. Wir müssen die Sachen auf den Tisch bringen. Ich habe schon sehr viel gelernt in unseren Diskussionen, die Familienräte sind super. Wir haben das grosse Los gezogen mit Pascal. Er ist ein kommunikativer Mann. Ich hoffe, dass er immer sagt, was ihm nicht passt.

Pascal: Ich schätze es sehr, dass Seraina und Isa nicht mit fertigen Positionen zu mir kommen. Das hilft mir sehr, ein Teil dieser Erziehungsgemeinschaft zu sein. Sie sind zwei Persönlichkeiten, nicht eine Paareinheit. Das sah ich von Anfang an. Für mich hat es in klärungsbedürftigen Momenten viel vereinfacht, dass wir vorher nicht befreundet waren und wenige Vorstellungen und Projektionen voneinander hatten.

Seraina: Beim Erziehungsdepartement wollten sie wissen, ob wir den Vater kennen und ob wir dem Kind auch sagen werden, wer er ist. Als Isa und ich das bejahten, waren sie schon ziemlich beruhigt. Natürlich fragten sie dann noch, wie er heisse. Wir sagten: «Das sagen wir nicht.» Da mussten alle lachen.

Im Sommer kam ein Brief mit dem Namen der Beiständin. Danach haben wir nichts mehr gehört. Vermutlich haben die Ämter Dringenderes zu tun.

Isa: Ich möchte, dass wir sichtbar sind. Sonst habe ich das Gefühl, ich verstecke etwas. Ich will wahrhaftig sein. Wieso können wir nicht einfach zu dritt das Sorgerecht teilen?

Ich finde es auch wichtig für Bela: Wir sind drei Erwachsene, die für ihn Bezugspersonen sind, die alle drei an den Elternabend eingeladen werden, er hat zwei Mamis und einen Papi. Die sollen alle die gleichen Rechte haben.

Die Liebe für Seraina war immer gross, aber jetzt ist sie noch extrem gewachsen. Ich schaue sie an und denke: Wow. Ich finde es megaschön mit ihr, und megaschön, ist Bela bei uns. Am liebsten hätten wir drei Kinder. Ich hoffe, Pascal macht mit …

*Name geändert.

Rechte für Regenbogenfamilien : Die Schweiz hinkt hinterher

In Vancouver ists möglich: Die einjährige Della Wolf Kangro Wiley Richards hat zwei Mütter und einen Vater – ganz offiziell. In einigen kanadischen Provinzen und US-Bundesstaaten sind Dreielternfamilien anerkannt.

«Das ist auch ein Thema für uns», sagt Maria von Känel vom Dachverband Regenbogenfamilien. «In Mehrelternfamilien besteht die Gefahr, dass Kinder den Kontakt zu Elternteilen verlieren, wenn sich die Eltern trennen. Auch Erbschaften sind nicht geregelt.»

Der Dachverband stört sich auch daran, dass in vielen Gemeinden die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) Kindern, deren Mütter den Namen des Kindsvaters oder Samenspenders nicht bekannt geben, automatisch einen Beistand verordnen. So war es auch bei Seraina Sprecher und Isa Mele. Der Beistand müsse «zur Feststellung des Kindesverhältnisses zum Vater und zur Geltendmachung allfälliger Unterhaltsbeiträge eingesetzt werden», heisst es in einem Brief der KESB Basel an die beiden. Laut Maria von Känel ist die Beistandschaft bei lesbischen Mütterpaaren oft eine Pro-forma-Sache. «Aber es hängt von den Personen bei den KESB ab. Ich kenne einen Fall, wo ein Beistand einem Frauenpaar regelrecht hinterherspionierte.»

Was die Rechte von Regenbogenfamilien angeht, hinkt die Schweiz im europäischen Vergleich ohnehin hinterher. In vielen Ländern ist die Adoption für Paare in eingetragenen Partnerschaften generell möglich, in Deutschland und Österreich immerhin die Stiefkindadoption. Diese will der Bundesrat jetzt auch in der Schweiz ermöglichen. Maria von Känel geht davon aus, dass der Vorschlag im Parlament eine Mehrheit findet, aber rechte und religiöse Kreise das Referendum ergreifen werden. «Es wird anstrengend – aber wir sind zuversichtlich.»

Bettina Dyttrich