Porträt des Gewerkschafters Vincent Leggiero: Der Kampf hat sich gelohnt

Nr. 50 –

Vincent Leggiero ist Mechaniker bei den Genfer Verkehrsbetrieben. Als Gewerkschafter kämpft er für bessere Arbeitsbedingungen. Der jüngste Streik im öffentlichen Verkehr war ein grosser Erfolg.

«Ob man seine Stelle verliert oder nicht, ist nicht Schicksal», weiss Vincent Leggiero.

Am 19. November stand der öffentliche Verkehr in Genf still. Busse und Trams blieben in den Depots, nachdem die Angestellten der Genfer Verkehrsbetriebe (TPG) entschieden hatten, sich mit einem Streik gegen die drohenden Entlassungen und Leistungskürzungen zu wehren. Bereits in den letzten Jahren habe die Arbeitsbelastung für die ChauffeurInnen und TechnikerInnen aufgrund der Flexibilisierung der Arbeitszeiten extrem zugenommen, sagt Vincent Leggiero. «Weitere Verschlechterungen konnten wir deshalb auf keinen Fall akzeptieren.»

Der 52-jährige Leggiero arbeitet seit 27 Jahren als Mechaniker für die TPG, und genau so lange engagiert er sich bei der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) für die Rechte der Angestellten. Heute ist Leggiero Sektionspräsident des SEV, doch er wehrt sich dagegen, in den Mittelpunkt gestellt zu werden. «Der Streik hätte auch ohne mich stattgefunden. Es war ein Streik der Angestellten, und sie können stolz sein auf den Sieg, den sie errungen haben.»

Im Mai haben sich die GenferInnen in einer Abstimmung für eine Senkung der Billett- und Abopreise im öffentlichen Verkehr ausgesprochen. Nun rechnen die TPG mit jährlichen Einnahmeausfällen in Millionenhöhe. Da die Genfer Regierung nicht bereit war, das Budget für den öffentlichen Verkehr zu erhöhen, kündigte die Direktion der Verkehrsbetriebe Entlassungen an. Ohne die Arbeitsniederlegung, an der sich sowohl die Angestellte des Technischen Diensts als auch die FahrerInnen beteiligten, wäre es nie zu einer Einigung zwischen der Unternehmensleitung der TPG und den Gewerkschaften gekommen.

Leggiero ärgert sich über den Versuch, der Bevölkerung die Schuld in die Schuhe zu schieben und sie für die drohenden Entlassungen verantwortlich zu machen. Er ist überzeugt, dass das Abstimmungssresultat der Regierung nur als Vorwand dient, um den Leistungsvertrag mit den TPG durchzuboxen. Schon vor der Abstimmung im Mai war die Regierung gegen eine Budgeterhöhung im öffentlichen Verkehr.

«Streikrecht ist nicht verhandelbar»

Nach dem Streik vom 19. November entbrannte eine Debatte über die Frage, ob die Angestellten des öffentlichen Verkehrs überhaupt ein Streikrecht besitzen. Ausgelöst wurde die Diskussion von Luc Barthassat, dem Genfer Verkehrsdirektor, der sogar von einem möglichen Polizeieinsatz sprach. Der Dachverband der Arbeitgeber bezeichnete den Streik als illegal, und Regierungsmitglieder beschuldigten die Gewerkschaften, arbeitswillige Chauffeure und Tramfahrerinnen dazu gedrängt zu haben, sich an der Arbeitsniederlegung zu beteiligen.

Vincent Leggiero widerspricht diesen Anschuldigungen vehement. Der Druck sei von der Unternehmensleitung ausgegangen, die mit allen Mitteln versucht habe, die Angestellten einzuschüchtern. Insbesondere junge MitarbeiterInnen seien von ihren Vorgesetzten angerufen und dazu gedrängt worden, sich gegen einen Streik auszusprechen. Mit 250 Franken sollten FahrerInnen dazu bewogen werden, im Fall eines erneuten Streiks eine Minimalversorgung zu garantieren. «Doch das Streikrecht ist nicht verhandelbar», sagt Leggiero. «Entweder es existiert, oder es existiert nicht. Dazwischen gibt es nichts.»

«Wir bleiben misstrauisch»

Um den Druck aufrechtzuerhalten, war für den 4. Dezember – den Tag, an dem das Parlament über den umstrittenen Leistungsvertrag mit den TPG abstimmte – ein weiterer Streik angekündigt. Doch am Vorabend einigten sich die Gewerkschaften und die Direktion der Verkehrsbetriebe in letzter Minute. Der Unternehmensleitung konnte die Garantie abgerungen werden, dass sie in den nächsten vier Jahren keine Entlassungen ausspricht. Der vorgesehene Abbau, durch den 63 Angestellte ihre Arbeit verloren hätten, war damit vom Tisch, und die Busse und Trams verkehrten am darauffolgenden Tag wieder fahrplanmässig. «Die schriftliche Garantie, dass es keine Entlassungen geben wird, ist ein grosser Erfolg für uns. Doch es ist nur ein Papier, wir sind nicht naiv. Wir bleiben misstrauisch und werden uns nicht zurücklehnen», sagt Vincent Leggiero.

Die Angestellten des öffentlichen Verkehrs haben gezeigt, dass sie gut organisiert sind und sich nicht spalten oder einschüchtern lassen. «Vor allem haben die Arbeiter gelernt, dass es nicht Schicksal ist, ob man seine Stelle verliert oder nicht. Man kann sich dagegen wehren», sagt Vincent Leggiero. Ausserdem diene der Erfolg des TPG-Personals anderen Angestellten im öffentlichen Sektor als Vorbild und Ansporn.

In den nächsten Wochen sind weitere Aktionen geplant, um gegen das Sparpaket zu protestieren, über das noch vor Weihnachten abgestimmt wird. Dass es zu weiteren Streiks kommt, ist nicht ausgeschlossen.