Kommentar zu Sri Lanka: Es geht zurück zur parlamentarischen Demokratie

Nr. 3 –

Viele Hoffnungen ruhen auf dem neuen Präsidenten Sri Lankas. Seine einzige Chance ist es, einen besseren Interessenausgleich zwischen der singhalesischen Mehrheit und den ethnischen Minderheiten zu schaffen.

Es war eine positive, vielversprechende Überraschung, mit der die BürgerInnen Sri Lankas letzten Freitag aufwachten. Präsident Mahinda Rajapaksa wurde abgewählt. Vor der Wahl hatte kaum jemand mit seinem Sturz gerechnet. Er war schon fast ein Jahrzehnt Präsident und führte sein Land auf den Weg einer Autokratie. 2010 änderte Rajapaksa eigens die Verfassung ab, um noch mehr Kompetenzen im Präsidialamt zu konzentrieren und auch noch eine dritte Amtsperiode absolvieren zu können.

Rajapaksa fühlte sich seiner Sache so sicher, dass er gar vorzeitig wählen liess. Über achtzig Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen – und sprachen sich zu über 51 Prozent für Maithripala Sirisena aus, den 63-jährigen Herausforderer, der kürzlich noch Parteifreund und Gesundheitsminister Rajapaksas war und sich erst nach der Ausrufung der Wahl im November der Opposition anschloss.

Zwar kursieren Gerüchte, Rajapaksa habe das Militär (erfolglos) angewiesen, das Wahlresultat zu manipulieren. 
Aber auf jeden Fall räumte er – noch vor Bekanntwerden des offiziellen Resultats – am Freitag frühmorgens seine Niederlage ein und forderte alle auf, eine reibungslose Machtübergabe zu ermöglichen. Damit reiht sich Sri Lanka überraschenderweise in die demokratischen Erfolgsgeschichten Südasiens ein. In Indien hat letztes Jahr ein reibungsloser demokratischer Machtwechsel stattgefunden – und 2013 geschah dies gar erstmals in Pakistan. Zudem haben in den letzten Jahren Bhutan, Nepal und die Malediven wichtige Demokratisierungsschritte unternommen.

Rajapaksa hat vor allem die Unzufriedenheit innerhalb der singhalesisch-buddhistischen Bevölkerungsmehrheit stark unterschätzt. Er dachte wohl, dass ihm diese für die (äusserst blutige) Beendigung des Kriegs gegen die Liberation Tigers of Tamil Elam (LTTE) ewig dankbar sei. Doch viele hatten offenbar genug von seinem korrupten, dynastischen und autoritären Regime. Während des Jahrzehnts an der Macht gelang es dem Rajapaksa-Clan, die verschiedenen Volksgruppen auseinanderzubringen. Die muslimische Minderheit (neun Prozent der Bevölkerung) wandte sich von Rajapaksa ab, da er sie nicht vor der Gewalt der extremistischen Singhalesengruppierung Bodu Bala Sena schützte. Bei den TamilInnen (rund ein Sechstel der Bevölkerung) im Norden und Osten der Insel hatte der alte Präsident sowieso keine Chance – denn er setzte seine Versprechen, nach gewonnenem Krieg die Aussöhnung zwischen den involvierten Ethnien zu fördern, nie um.

Auch wenn die TamilInnen mehrheitlich Maithripala Sirisena gewählt haben, können sie vom neuen Präsidenten nicht allzu viel erwarten. Wie sein Vorgänger glaubt Sirisena, dass die Eliminierung der LTTE um jeden Preis eine historische Notwendigkeit war. Er wird auch nicht die Truppen aus dem mehrheitlich tamilischen Norden abziehen und eine unabhängige Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen zulassen. Die LTTE riefen denn auch dazu auf, bei der Wahl einen leeren Zettel einzuwerfen.

Das Überleben der neuen Regierung ist nur möglich, wenn sie einen besseren Interessenausgleich zwischen der singhalesischen Mehrheit und den ethnischen Minderheiten schafft. Die TamilInnen erwarten einen Stopp der Militarisierung des Nordens und Schritte zur Selbstbestimmung. Die MuslimInnen erwarten einen besseren Schutz vor den Extremisten.

Sirisena muss es nur schon schaffen, die widersprüchlichen Interessen innerhalb seiner Regierungskoalition zu vereinen und ein griffiges Regierungsprogramm zu formulieren. Vor der Wahl versprach er, die Macht des Präsidialamts wieder zurückzustutzen und zu einer parlamentarischen Demokratie zurückzukehren. Ausserdem wollte er «die Herrschaft der Rajapaksa-Familie beenden». Das ist kein einfacher Akt, wenn man bedenkt, wie stark die Rajapaksas weiterhin in Sri Lankas Politik und Wirtschaft verwurzelt sind. Und dann wartet noch die riesige Herausforderung, die Wirtschaft zu beleben; sie ist durchsetzt mit Korruption. Und die Staatsschulden sind zwischen 2006 und 2013 von 7,3 auf 59 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen.

In der Aussenpolitik Sri Lankas ist ein Kurswechsel zu erwarten. Die indische Regierung freut sich unverblümt über den Regierungswechsel im südlichen Nachbarland – und dass mit Ranil Wickremesinghe ein ausgewiesener Freund Indiens zum neuen Premierminister ernannt worden ist. Sirisena selbst hat schon angekündigt, dass seine erste Auslandsreise nach Indien führen werde. Sein Vorgänger hatte noch stark auf China gesetzt, was Indien gar nicht erfreute – insbesondere als auch noch chinesische U-Boote am Hafen von Colombo andockten. In Rajapaksas Amtszeit wurde China zum eindeutig grössten Geldgeber und Investor – Sirisena will das nun korrigieren und damit auch die Auslandsschulden verringern.

Indien erwartet von der neuen Partnerschaft mit Sri Lanka aber auch konkrete Schritte im Interesse der TamilInnen. Nur schon deshalb wird Sirisena nicht umhinkommen, ihnen etwas mehr Autonomie zuzugestehen. Ob der jüngste Machtwechsel aber wirklich langfristig die sri-lankische Demokratie stärken wird, muss die neue Regierung erst noch beweisen.

Aus dem Englischen von Markus Spörndli.