Philippinen: Ein desaströser Plan

Nr. 12 –

Präsident Benigno Aquino ist persönlich für die desaströse Kommandoaktion Ende Januar verantwortlich, bei der 67 Menschen ums Leben kamen. Seine politische Zukunft wie auch der Friedensprozess sind infrage gestellt.

Mit grosser Verzögerung hat die Philippinische Nationalpolizei (PNP) soeben ihren ersten Untersuchungsbericht über die misslungene Kommandoaktion ihrer Eliteeinheit, der Special Action Force (SAF), vorgelegt. Die Aktion fand am 25. Januar in der Ortschaft Mamasapano in der südlichen Provinz Maguindanao statt (siehe WOZ Nr. 9/2015 ). Insgesamt, so der Bericht, starben dabei 67 Personen – 44 SAF-Mitglieder, 18 Kombattanten der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) sowie fünf Zivilisten. Ziel der Aktion wäre eigentlich lediglich die Festnahme dreier gesuchter Terroristen gewesen.

Gerissene Befehlskette

Die Festnahme der als «hochwertige Ziele» eingestuften Terroristen war seit Frühjahr 2014 geplant, wurde aber mehrmals verschoben. Bei der «Operation Exodus» soll der malaysische Topterrorist Zulkifli Bin Hir (Deckname «Marwan») ums Leben gekommen sein, während seine beiden Komplizen fliehen konnten. Die Aktion forderte deshalb so viele Tote, weil sie in einem Gebiet stattfand, das grösstenteils von der MILF und der mit ihr rivalisierenden Bangsamoro Islamischen Freiheitsbewegung (BIFM) kontrolliert wird. Da gemäss seit Ende März 2014 zwischen der MILF und der Regierung ausgehandeltem Friedensvertrag Truppenbewegungen der beidseitigen Absprache bedürfen, die «Operation Exodus» aber als geheime Aktion erfolgte, gingen die beiden Organisationen von einem Überfall aus und verwickelten die SAF-Einheiten in mehrstündige Gefechte.

Im PNP-Untersuchungsbericht mit dem knappen Titel «Mamasapano Report» ging es vor allem um die Einhaltung der Befehlskette. Und da kommt der Bericht zu einem vernichtenden Urteil: Präsident Benigno Aquino hatte dem Plan zwar zugestimmt, aber die entscheidenden Stellen umgangen: Weder PNP-Generaldirektor Leonardo Espina noch der für die Polizei zuständige Innenminister Manuel Roxas II. noch die Regionalkommandeure der Streitkräfte (AFP) waren informiert. Stattdessen kommunizierte Aquino lediglich mit dem früheren PNP-Generaldirektor Alan Purisima und dem Chef der SAF-Einheit, Getulio Napeñas. Purisima ist ein alter Freund des Präsidenten; er war mit dem Operationsplan vertraut, wurde allerdings im vergangenen Dezember vom philippinischen Antikorruptionsgericht für sechs Monate vom Dienst suspendiert. Getulio Napeñas seinerseits votierte dafür, die AFP aussen vor zu lassen, weil einige ihrer Mitglieder mit Leuten aus der Gefechtszone verwandt seien und so die ganze Operation gefährden könnten.

Zur Rolle der USA merkt der Bericht an, dass sich ein mindestens sechsköpfiges US-Team in der taktischen Kommandozentrale nahe der Stadt Cotabato aufgehalten habe. Es habe den SAF-Einheiten direkt durch Nachrichtengewinnung, Überwachung und Aufklärung assistiert. Ausserdem hätten philippinische Polizisten in General Santos City auf Anweisung von Vorgesetzten den abgeschnittenen Zeigefinger des Terroristen «Marwan» zwecks DNA-Untersuchung an US-Behörden ausgehändigt.

Das ernüchternde Fazit des PNP-Untersuchungsberichts: Der Operationsplan Exodus «konnte nicht effektiv durchgeführt werden, weil er von Anfang an fehlerhaft war».

Die Veröffentlichung des Reports fand in den Philippinen ein überwiegend positives Echo. Viele KommentatorInnen lobten in den Montagsausgaben der überregionalen Tageszeitungen die kompakte Zusammenfassung der Ereignisse in Mamasapano und die Benennung der vorausgegangenen Planungsdefizite. Weniger angetan zeigten sich die Verbündeten von Aquino und dessen Liberaler Partei. Sie sprachen von «Mutmassungen» und «voreiligen Schlussfolgerungen».

90 000 Flüchtlinge

In der Tat ist das letzte Wort längst nicht gesprochen; nicht weniger als sieben weitere Untersuchungsberichte sollen noch folgen – etwa seitens beider Parlamentskammern, des Justizministeriums sowie der MILF.

Sicher ist allerdings schon jetzt zweierlei. Erstens: Benigno Aquino dürfte es schwer haben, seine volle Amtszeit (bis Juni 2016) überhaupt zu überstehen. Gemäss einer am Dienstag publizierten Befragung fiel die Quote der Zustimmung zum Präsidenten von 59 Prozent im November auf heute gerade noch 38 Prozent – der tiefste Wert seit Aquinos Amtsantritt 2010.

Zweitens: Der zwischen Manila und der MILF ausgehandelte Friedensvertrag wird nicht mehr eins zu eins umsetzbar sein. Neuerlich bekommen jene Seiten, die einen Frieden durch Krieg erzwingen wollen, wieder Aufwind. Dies mit schmerzlichen Folgen für die geschundene Zivilbevölkerung. Schon jetzt befinden sich rund 90 000 Menschen aus der Region auf der Flucht.