Warum es die SRG braucht: Jeder Rappen zählt

Nr. 15 –

Ein Gespenst geht um in der Schweizer Radio- und Fernsehlandschaft. Es ist kein böses Gespenst, es macht niemandem Angst. Aber weil es nirgends richtig definiert ist, weiss auch niemand, wie das Gespenst zu fassen wäre. Mitunter geistert es in Sendungen herum, wo es nichts verloren hat. Das Gespenst heisst Service public.

Jetzt haben die Ghostbusters von rechts wieder einmal die Jagd darauf eröffnet. Und das Referendum gegen das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) am 14. Juni ist ihr Testlauf. Wer das neue Gebührenmodell ablehnt, befeuert damit keineswegs die nötige Debatte über die publizistische Qualität der SRG. Ein Nein würde der Rechten nur Munition für ihren Plan liefern, den Service public zu demontieren.

Das Seltsame an dieser Sache: Wenn der Service public auf dem Spiel steht, beschwört auch ein eigentlich unverdächtiger, weltoffener Liberaler wie SRG-Generaldirektor Roger de Weck gerne den nationalen Zusammenhalt. Dann wird die SRG bei ihm zur Bastion, die unser Fernsehen und unser Radio davor bewahrt, von fremden Mächten kolonisiert zu werden.

Vielleicht fällt der SRG-Generaldirektor deshalb in solches Réduit-Denken zurück, weil er berufsbedingt selber zu viel Schweizer Fernsehen geschaut hat. Dort scheute man ja in den letzten Jahren keinen Aufwand, um ein bürgerliches Publikum mit den nationalen Mythen zu versorgen, an denen es sich herrlich wärmen und über die es sich seiner Identität versichern kann. Man feierte ein paar grosse Männer aus der Geschichte der Eidgenossenschaft und nannte es «Die Schweizer», denn grosse Frauen waren nicht mitgemeint. (Und kleine Frauen schon gar nicht, die durften sich dafür in der «Landfrauenküche» gewürdigt wissen.) Man schickte Familien von heute in eine Alpenfestung, um das Réduit als kostümierte Realityshow aufleben zu lassen. Man war, allerorts und immer wieder, «bi de Lüt». Und falls jemand hier die migrantische Schweiz vermisst: Für die gibts ja doch immerhin Castingshows, wo sie ihr Talent (so sie welches hat) beweisen darf.

Das Schweizer Fernsehen ist also auch eine Ideologiemaschine, die unermüdlich daran arbeitet, Heimatgefühle zu fabrizieren – für das Land, aber auch für den Sender selbst. Dumm nur, dass die politische Rechte so undankbar auf alle diese Swissness-Manöver reagiert. Da kann man noch so quotengeil und zielgruppengerecht ein bürgerliches Publikum bedienen: Gegen das Evangelium des freien Marktes ist auch die aufwendigste öffentlich-rechtliche Mythenpflege nichts mehr wert.

Denn das ist ja das zentrale Argument der rechten Gespensterjäger gegen den Service public, abgesehen von dem Märchen vom «linken» Staatsfernsehen: dass die SRG durch ihre staatlich gesicherte Vormachtstellung eine grössere mediale Vielfalt verhindere. Dabei: Im Tessin werden sie sich bedanken, wenn wir sie der medialen Vielfalt von Berlusconien ausliefern. Und in der übrigen Schweiz demonstrieren die grossen Medienkonzerne seit Jahren eindrücklich, wie man auf dem freien Markt eine einst vielfältige Medienlandschaft planiert.

Eine denkwürdige televisionäre Bagatelle hilft hier, den Blick zu schärfen. Es war im Januar dieses Jahres, als die «Tagesschau»-Sprecherin Cornelia Bösch vor laufender Kamera ohnmächtig wurde. Ein unerhörter Vorgang! Aber, ganz im Ernst, auch eine Szene mit symbolischem Wert. Denn für einen kurzen Moment lang war hier der gar nicht mehr so heimliche Traum der Rechten wahr geworden: Dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen wurde schwarz vor Augen.

Wie aber reagierte der freie Markt, dieser Hort von Relevanz und journalistischer Qualität, dieser Garant der medialen Vielfalt? Die privaten Medien stürzten sich auf die gestürzte Nachrichtensprecherin. Sie leuchteten die Episode so grell aus, als wärs mindestens eine Staatsaffäre.

Man muss das als überaus anschauliches Lehrstück zur Rolle der öffentlich-rechtlichen Sender in diesem Land sehen: Wenn der Service public umfällt, drehen die Privaten durch.

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