Gewalt in Südafrika: «Ein wütender Mob stürmte meinen Laden»

Nr. 19 –

Nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika haben Tausende MigrantInnen das Land verlassen. In Simbabwe berichten zwei Rückkehrer von ihren Erlebnissen.

Courage Kugara hatte gehofft, in Südafrika Arbeit zu finden. Dafür verliess der 22-Jährige vergangenen Dezember seine Heimatstadt Harare und zog zu seinem Onkel nach Delft, einem Ort in der Provinz Westkap. «Bereits vier Tage nach meiner Ankunft hatte ich einen Job auf dem Bau gefunden», erzählt er. «Ich verdiente zwar nur fünfzig US-Dollar pro Woche. Doch zum ersten Mal hatte ich überhaupt eine Arbeit.»

Kugaras Hoffnung auf ein besseres Leben wurde bald zerschmettert. In Durban, der Millionenmetropole in der Provinz KwaZulu-Natal, eskalierte Anfang April die Gewalt: Nachdem Zulu-König Goodwill Zwelithini dazu aufgerufen hatte, alle AusländerInnen aus Südafrika auszuweisen, begannen schwarze SüdafrikanerInnen mit ihrer Hetzjagd. Sie warfen den MigrantInnen vor, ihnen Jobs wegzunehmen. Später schwappten die Ausschreitungen auch auf Johannesburg, das wirtschaftliche Zentrum des Landes, über.

Zwar blieb es am Westkap bisher ruhig. Kugara beschloss dennoch, nach Simbabwe zurückzukehren. «Wir sahen die Bilder der Krawalle im Fernsehen», sagt er. Sein Leben sei ihm wichtiger als das Geld, das er in Südafrika verdienen konnte. Da Kugaras Visum bereits abgelaufen war, bezahlte er bei seiner Ausreise einem Grenzbeamten hundert US-Dollar. Dieser drückte ihm einen Stempel in den Pass, mit dem er jederzeit wieder nach Südafrika zurückkann.

Doch daran denkt Kugara derzeit nicht. In Simbabwe fühle er sich sicherer, sagt er. In seiner Heimat will er Waren für den täglichen Gebrauch verkaufen. Weil er seine Ersparnisse aufgebraucht hat, um den Grenzbeamten zu bestechen, konnte Kugara kein Geld auf die Seite legen. Jetzt ist er auf finanzielle Hilfe von FreundInnen und Verwandten angewiesen.

Kugara ist einer von etwa 800 MigrantInnen aus Simbabwe, die Südafrika seit den Ausschreitungen den Rücken kehrten. Um Landsleute in die Heimat zurückzuholen, hat die Regierung in Harare eigens Busse angemietet.

Nie wieder nach Südafrika zurück

James Moyo wurde mit vielen anderen aus Johannesburg evakuiert. Bis sich die Gerüchte über bevorstehende Angriffe häuften, hatte er dort einen rentablen Computer- und Handyreparaturservice betrieben. «Eines Tages stürmte ein wütender Mob meinen Laden», erzählt Moyo. «Bevor sie alles in Brand setzten, nahmen sie sich Handys und Laptops.» Die Angreifer stahlen auch 400 US-Dollar, die unter der Matratze versteckt waren – Geld, mit dem Moyo die Schulgebühren seiner Kinder bezahlen wollte. Egal wie schwierig es in Simbabwe auch sein mag: Nach Südafrika will Moyo nie wieder zurück. Der Schrecken sitzt zu tief.

Bei den Ausschreitungen der letzten Wochen zerstörten die AngreiferInnen Eigentum von MigrantInnen und stahlen, was immer sie für wertvoll hielten. Mindestens sieben Menschen wurden getötet. Die Lage hat sich zwar wieder beruhigt. Doch die Angst davor, dass die Gewalt wiederaufflammen könnte, ist gross.

Tweets gegen den Präsidenten

König Zwelithini erklärte inzwischen, man habe seine Aussagen missverstanden. Doch andere Politiker – etwa der Sohn des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma – haben seine Forderung, AusländerInnen auszuweisen, bekräftigt. Und auch Aussagen des Staatspräsidenten selbst sorgten für Ärger: Statt sich um die Krawalle im eigenen Land zu kümmern, prangerte er lieber Menschenrechtsverletzungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge an. Viele kritisierten, dass Zuma mit seinem Verhalten die Diskriminierung von AusländerInnen billigend in Kauf nehme. Auch auf Twitter schlug dem Machthaber Empörung entgegen: Er sei verblüfft von Zumas Vorwürfen, schrieb Simbabwes Informationsminister Jonathan Moyo. ArbeiterInnen aus den Nachbarländern hätten das Land nach dem Ende der Apartheid schliesslich wirtschaftlich aufgebaut.

Simbabwes Diktator Robert Mugabe doppelte in seiner Rede beim Gipfeltreffen der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) am 29. April nach: Die Bevölkerung der Nachbarländer glaube, Südafrika sei das Paradies. Zwar sei das Land wirtschaftlich besser entwickelt als Simbabwe, doch gehe es vor allem der weissen Bevölkerung gut, sagte er. Mit ihrer Ankunft verschlechterten die MigrantInnen vor allem das Leben der schwarzen Bevölkerung in den Townships von Südafrika, so Mugabe. Für Politologe John Mlambo klingen diese Aussagen zynisch. «Mugabe ist realitätsfremd», sagt er. Er sei für den Zusammenbruch der einheimischen Wirtschaft mitverantwortlich – und habe so erst dazu beigetragen, dass Hunderttausende MigrantInnen aus Simbabwe in Südafrika ihr Glück versuchten.

Im Land Mugabes sind die Jobs bis heute rar. Auf die RückkehrerInnen aus Südafrika hat dort niemand gewartet.

Aus dem Englischen von Anna Jikhareva.