Film «Love & Mercy»: Schall & Wahn

Nr. 24 –

Wo, bitte, ist die Sonne geblieben? «Sogar die fröhlichen Lieder klingen traurig.» Mike Love von den Beach Boys beklagt sich über die neuen Songs, die sein begnadeter Cousin Brian Wilson (Paul Dano) geschrieben hat. Die kalifornischen Buben sind um einen Pool drapiert, es ist die Szene, die in keinem Musikfilm fehlt: die Zerreissprobe. Der Songschreiber hat sich im Studio zu wahnwitzigen Sinfonien im Popformat verstiegen, der Sänger vermisst die schwerelosen Hits über das Leben am Strand.

Zwei Jahrzehnte später ist Wilson, jetzt gespielt von John Cusack, ein fremdgesteuertes Wrack. Rund um die Uhr wird er überwacht von seinem Vormund (Paul Giamatti), der ihn unter einem Regime von überdosierten Pillen hält. Das geht so lange schlecht, bis der verdämmerte Star mit einer Autoverkäuferin (Elizabeth Banks) anbandelt. Ein genialischer Musiker kommt sich abhanden und findet dank der Liebe zurück in die Spur: Das ist die schlichte dramaturgische Logik, nach der Bill Pohlad seinen Spielfilm über Brian Wilson aufgezogen hat. Er erzählt das nicht chronologisch, sondern verschränkt die beiden Zeitebenen. Und auch wenn er manchmal gar penetrant den Mythos vom gepeinigten Künstlergenie zelebriert: «Love & Mercy» ist ein Film, der lieber zeigt, wie die Musik gemacht wird, von der er erzählt, statt über die Inspiration dahinter zu spekulieren.

«Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen», sagt Brian Wilson bei der Zerreissprobe am Pool. Es ist das Bekenntnis eines progressiven Popkünstlers, der nicht hinter das Jetzt zurückfallen will. Vom Ende her gedacht, klingt der Satz aber vor allem tragisch. Da wird zum Abspann der echte Brian Wilson am Klavier eingespielt, wie er «Love and Mercy» singt, das Lied von 1988, von dem der Film seinen Titel hat. Der Kniff zielt auf Rührung, aber diese will sich nicht so recht einstellen. Das liegt an diesem bestürzend nichtssagenden Song, der deutlich macht, dass es für Brian Wilson auch heute kein Zurück gibt. Wir sehen einen Auferstandenen, aber das Genie, das er einmal war, hat ihn unterwegs verlassen.

Ab 11. Juni 2015 im Kino.

Love & Mercy. Regie: Bill Pohlad. 
USA 2014