Howlong Wolf: Bleibt alles anders ohne Admiral

Nr. 24 –

Vor einem Jahr beförderte David Langhard seinen Admiral James T. in den vorzeitigen Ruhestand. Jetzt meldet sich der 38-Jährige zurück. Mit neuem Namen, in alter Meisterschaft.

Der Admiral ist weg, die gute Musik noch da: David Langhard alias Howlong Wolf.

Es hätte ein Nachruf zu Lebzeiten werden sollen. Feierlich, wehmütig, vorgetragen mit der gebührenden Dosis Pathos. Eine grosse Verbeugung zu seinem vorzeitigen Ruhestand. Wir waren eigentlich schon verabredet, doch es wurde nichts daraus. David Langhard, auf den einschlägigen Bühnen dieses Landes besser bekannt als Admiral James T., mochte nicht reden, die Unlust war grösser. Er liess nichts mehr von sich hören, dann folgte noch sein Abschiedskonzert im Gaswerk in Winterthur. Die Wehmut war dort nur im Publikum, beim Admiral auf der Bühne keine Spur davon. «Er geht nach Amerika», war danach in der WOZ zu lesen, «den Admiral will er erst einmal pausieren lassen.»

Das ist jetzt genau ein Jahr her. Und statt Amerika ist es halt immer noch: Winterthur Grüze.

Der Admiral ist weiterhin beurlaubt, aber Langhard ist schon wieder da. Er kommt jetzt unter anderem Namen, und dieser klingt wie eine Scherzfrage, nur ohne Fragezeichen: Howlong Wolf. Wie lange noch, das ist die Frage, und der Scherz steckt natürlich im Wortspiel mit Howlin’ Wolf. War ja auch nicht anders zu erwarten von einem, der mal in einer Band namens John Lenin spielte.

Ein Jahr auf dem Sofa

Ein neuer Anfang unter neuem Namen, aber die Musik: alterslos wie immer. «I do remember the days when I thought I’m gonna change one day / Now I know that I was wrong, I’m still the same». So singt Howlong Wolf auf seiner ersten Platte, dazu tuckert ein Offbeat, im Hintergrund tröpfelt ein Plastikpiano. Da hat einer gemerkt, dass er irgendwie immer noch der Alte ist, aber trotzig hält er an seinem Ansinnen fest: «I’m Gonna Change One Day» heisst der Song.

Nein, David Langhard hat sich nicht «neu erfunden», wie das im Pop längst zum neoliberalen Geschäftsmodell geronnen ist. Man könnte versucht sein, seinen Abschied vom Admiral als blossen Marketinggag zu sehen. Aber die Vorstellung ist einigermassen absurd bei einem Musiker, der von seinen Platten im Durchschnitt rund 500 Exemplare verkauft. Und man glaubt ihm, wenn Langhard sagt, dass ihn das Echo auf den Rücktritt gerührt, teils genervt, vor allem aber verwirrt habe: «Die Resonanz darauf war grösser als die ganzen zwanzig Jahre davor.» Von der Ringier-Presse bis zur linken Wochenzeitung: Es war, als wollten selbst jene, die sonst noch nie eine Zeile über den Admiral geschrieben hatten, nun plötzlich seinen Sarg mittragen.

Und es ging David Langhard damals wirklich ans Eingemachte, als er beschloss, den Admiral in den vorzeitigen Ruhestand zu befördern. Er fühlte sich gefangen in der Routine, seine Platten spielte er wie auf Autopilot ein. Sein Beruf, die Musik, ödete Langhard an. Nach einem Hörsturz lag er einen Monat lang auf dem Sofa, wie er sagt. Auf der Platte ist daraus ein ganzes Jahr geworden: «One year on the sofa», so heisst es bei Howlong Wolf gleich in der ersten Zeile. Er klingt nach melancholischer Rückschau, dieser Song eines Zweiflers, den die Schwermut ein Jahr lang ins Sofa drückte. Aber in der Musik widerlegt sich der Sänger gleich selbst, weil wieder alles klingt wie mal eben aus dem Handgelenk geschüttelt. Im Hintergrund klingelt ein Glockenspiel, und als die Gitarre für ein muskulöses Solo ausschert, wird sie bald wieder ausgebremst.

Man konnte das schon auf «8 341 735» (2013) hören, dem letzten, reifsten und, ja, besten Album von Admiral James T. Da sang er auch immer wieder von Krise und Ausstieg, aber die Musik wollte partout nichts davon wissen. Das waren Songs, die sich lässig über dem Abgrund von Selbstzweifeln erhoben, den die Texte aufrissen. Nach jener Platte hatte Langhard tatsächlich die Lust an der Musik verloren, nicht aber den Drang danach. Und um die eigene Routine zu überlisten, habe er irgendwann angefangen, sein Studio in Winterthur umzubauen. «Das klingt jetzt nach einer grossen Übung», schiebt er nach. «Dabei hab ich eigentlich einfach Zeug weggeräumt und in einer Ecke ein paar Geräte abgestellt.» Darunter auch die analoge Achtspurmaschine, auf der er dann im Alleingang die Lieder einspielte, die ihm die Freude zurückbrachten.

Also hat er doch wieder eine Platte daraus gemacht, auch wenn das nicht so geplant war. Für die Konzerte im Herbst hat Langhard inzwischen auch eine Band beisammen, mit Leuten wie dem Gitarristen Martin Prader und Daniel Bachmann, dem Schlagzeuger des Krautrockduos Klaus Johann Grobe. «Die Band ist Howlong Wolf, nicht ich», sagt er, das ist ihm wichtig. «Dummerweise habe ich die erste Platte halt allein geschrieben und aufgenommen.» Man findet auf «Where Do We Go from Here?» wieder etliche latente Klassiker: Songs also, die klingen wie vergessene Schätze aus dem Repertoire eines berühmten Kollegen. Die Ballade «Not A Lover Indeed» etwa kommt daher wie ein unbekanntes Fundstück aus dem Great American Songbook, «Going Down» könnte ein verschollener Song der Beatles aus der Zeit von «Revolver» sein, Paul-McCartney-Gedenkbass inbegriffen.

Wie viele Songs er schon geschrieben hat? Langhard weiss es selbst nicht so genau. «Um die 500», sagt er. «Aber schätzungsweise 400 davon sind ein Seich.» Das klingt im ersten Moment nach übertriebener Bescheidenheit. Erst dann fällt einem auf, was nach dieser bescheidenen Rechnung übrig bleibt: rund 100 Songs, die richtig gut sind (oder zumindest kein Seich). Da gibts berühmtere Songschreiber, die in einem ganzen Leben nicht auf einen solchen Katalog kommen.

Wie lange noch, Wolf?

Und Amerika, was ist daraus geworden? Langhard hat die Idee nicht begraben, es hat ihm damals einfach das Geld dazu gefehlt. «Wenn mir nach dem Hörsturz jemand ein Flugbillett in die Hand gedrückt hätte, ich wäre abgeflogen.» Statt ins Flugzeug ist er in seinem ersten Jahr ohne Admiral immer wieder aufs Velo gestiegen. Und weil er schnell ins Sammeln kommt, besitzt er inzwischen drei Dutzend Rennvelos, mehr als Gitarren: «Leider endet das bei mir jeweils nicht in einer Sammlung, sondern in einer Ansammlung.» Was ihm gerade ein bisschen Sorgen macht, weil er im Moment zwei Autos besitzt (auch wenn nur eines von beiden läuft).

Auf dem rechten Unterarm prangt übrigens immer noch ein Anker, angeschrieben mit «Admiral». Er hat das Tattoo nicht wegmachen lassen: «Vielleicht brauche ich es irgendwann wieder.» Die Gegenwart heisst Howlong Wolf. Wie lange noch, Wolf? Aber bitte, du hast doch grade erst angefangen.

Howlong Wolf: Where Do We Go from Here?. Dala Produkte / Irascible