KünstlerInnen kandidieren: Wer will auch noch?

Nr. 26 –

Es drängt im Moment viele. Magdalena Martullo-Blocher will: «Die aktuelle Bundespolitik leidet unter oberflächlichen Sachkenntnissen.» Roger Köppel will: «Es geht um grundlegende Fragen, die nicht gut laufen in Bern.» Und Economiesuisse lanciert gleich ein Programm zur Förderung der Milizpolitik. Präsident Heinz Karrer: «Die Wirtschaftsinteressen müssen wieder direkt in die politischen Institutionen einfliessen.» Da wollen auch die Kulturschaffenden nicht hintanstehen: Die Gruppe Kunst + Politik hat im Kanton Zürich eine eigene Liste für die Nationalratswahlen angekündigt; sie will damit Diskussionen über die Kultur anregen. Zugpferd soll Schriftstellerin Ruth Schweikert werden, sie ist auch gleich mit dem passenden Romantitel am Start: «Wie wir älter werden».

Nun war die Verabschiedung der neuen Kulturbotschaft diesen Frühling zugegebenermassen erfreulich: Dank Föderalismus und Lobbyismus sprach das Parlament 1,1 Milliarden Franken für die Kulturförderung im Zeitraum von 2016 bis 2020. Auch wenn die Subventionen für die Landwirtschaft noch immer das Sechzehnfache betragen: Die Schweiz wandelt sich erkennbar zu einem Wissens- und Bildungsstandort. Da können für die künftige Entwicklung der Kulturpolitik ein paar NationalrätInnen mit Sachkenntnissen, um es mit Martullo-Blocher zu sagen, bestimmt nicht schaden. Denn die KünstlerInnen werden sich ja hoffentlich nicht nur für die eigenen Subventionen, sondern auch für andere Themen starkmachen.

Aber gerade weil die Kulturszene in der Schweiz so packend wie seit langem nicht mehr über die politische Gegenwart nachdenkt – sei es in der Literatur, dem Theater oder im Film –, stellt sich doch die Frage, ob KünstlerInnen im Parlament etwas verloren haben. Oder ob sie dort nicht eher etwas zu verlieren haben: eine eigene Sprache, die grosszügiger ist als steife Paragrafen; eigene Stoffe, die grundsätzlicher sind als die nächsten Abstimmungen.

Es wäre doch ein Jammer, man müsste über all die Schweikerts, Raus, Brons, Lüschers, Samirs oder Bärfussens irgendwann sagen, was man schon jetzt über Köppel sagen kann: Er war einmal Journalist. Er ist jetzt Politiker.

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