Dienstleistungsabkommen Tisa: Gefährliche Ruhe in der Schweiz

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In der australischen Mission der Welthandelsorganisation WTO in Genf finden zurzeit wieder einmal Geheimverhandlungen über das Dienstleistungsabkommen Tisa (Trade in Services Agreement) statt. Seit 2012 verhandeln fünfzig vorwiegend reiche Industrieländer über Tisa, darunter auch die Schweiz: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nimmt im Auftrag des Bundesrats – ohne Mandat des Parlaments – an den Geheimverhandlungen teil. Dabei geht es um Bereiche, die unser alltägliches Zusammenleben im Kern betreffen: von der Trinkwasserversorgung über die Kindergärten und Schulen bis hin zur Energieversorgung. Tisa wird, sofern es zum Abschluss kommt, enorme Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben.

Erst letzte Woche hat die Enthüllungsplattform Wikileaks eine ganze Reihe von Dokumenten veröffentlicht, die abermals aufzeigen, was das Ziel von Tisa ist: liberalisieren und deregulieren, wo es nur geht. Der Bundesrat und das Seco haben bisher allerdings stets betont, dass der Service public nicht in Gefahr sei, namentlich in den Bereichen «Energie, öffentliche Bildung, Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr oder bei der Post».

Stefan Giger von der Gewerkschaft VPOD hat die bisher geleakten Dokumente studiert und bestätigt die Beteuerungen von Bundesrat und Seco. Aus den Leaks gehe tatsächlich hervor, dass sie sich bemühen, den Service public zu schützen. Bloss: «Sie stehen damit ziemlich alleine da. Die USA und auch die EU verfolgen zum Teil ganz andere Interessen. Gerade in Bezug auf den Datenschutz oder die Regulierungshoheit der Staaten, die beschnitten werden soll. Es ist insofern fraglich, ob die Schweiz ihre Position wird halten können», so Giger.

Bisher stand das Dienstleistungsabkommen Tisa im Schatten des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP, gegen das sich europaweit breiter Widerstand regt. Das ändert sich im Zuge der jüngsten Leaks langsam. Immer mehr Bürgerinnen, Aktivisten und auch PolitikerInnen in Europa weiten ihren Widerstand auf Tisa aus. Nur in der Schweiz, dem Gastgeberland der Tisa-Verhandlungen, bleibt es ruhig. Bezeichnenderweise war in den Deutschschweizer Medien in den letzten Tagen nicht ein einziger Satz über Tisa zu lesen.