Saudi-Arabien: Bratpfannen für Neumuslime

Nr. 33 –

Viele philippinische GastarbeiterInnen in Saudi-Arabien treten zum Islam über. Die Gründe dafür sind vielfältig.

«Aschhadu», spricht Dschamil langsam ins Mikrofon, «an la ilaha illa-llah.» Dann wiederholt er die Worte, diesmal schneller: «Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt ausser Gott.» Das «l» spricht Dschamil kehlig aus, die Laute zieht er zusammen. Der Filipino klingt fast wie ein arabischer Muttersprachler. Ein Mann im Publikum tritt vor und spricht das Glaubensbekenntnis nach. Wir sind auf einem Platz in der Altstadt von Dschidda, einer wichtigen saudi-arabischen Hafenstadt am Roten Meer mit über drei Millionen EinwohnerInnen. Die Menge jubelt, aus den Geschäften strömen Schaulustige auf den Platz. «Allahu akbar», rufen einige, «welcome to Islam!» Dschamil drückt dem frisch gebackenen Muslim als Geschenk eine brandneue Elektrobratpfanne in die Hand.

«Wir sind Freiwillige», erzählt Dschamil, als der Muezzin ruft und er seine Show für das Abendgebet unterbricht, «wir machen das nur freitags.» Dieser Freitag war erfolgreich für das United Islamic Center in Dschidda, eines von vielen Missionierungsbüros in Saudi-Arabien. «Unser Durchschnitt liegt bei zehn Leuten pro Freitag, aber heute haben wir schon dreizehn konvertiert», freut sich der Laienprediger.

Nicht immer «Muslime im Herzen»

Rund eineinhalb Millionen Filipinos und Filipinas arbeiten in Saudi-Arabien. Unter den Nichtsaudis sind sie eine der grössten Gruppen. Die Wirtschaft des ölreichen Königreichs ist auf GastarbeiterInnen angewiesen; jeder und jede Dritte besitzt nicht die saudische Staatsbürgerschaft. Die Männer arbeiten als IT-Experten, bedienen im Restaurant und fahren die saudischen Frauen im Auto herum. Die Filipinas verdienen ihr Geld als Krankenschwestern, Putzhilfen oder Hausangestellte. Dass die meisten ChristInnen sind, spielt meist keine Rolle – auch wenn der Islam in Saudi-Arabien Staatsreligion ist und das öffentliche Leben stark prägt.

Auch Dschamil, der unter der Woche bei Opel arbeitet, kam als Christ nach Saudi-Arabien. Nach seiner Ankunft 1998 beginnt er, sich mit dem Islam zu befassen, besucht die Moschee, lernt Arabisch. 2003 beschliesst er zu konvertieren – oder, wie er sagt, zu revertieren. «Wir nennen die neuen Muslime Revertiten», erklärt er. Die Filipinos seien früher Muslime gewesen. Erst die spanischen Kolonialherren hätten das Christentum auf die Philippinen gebracht. Heute sind nur noch rund zehn Prozent der Bevölkerung muslimisch.

Wie viele philippinische EinwanderInnen in Saudi-Arabien konvertieren, ist nicht bekannt, genaue Zahlen gibt es nicht. Randy Maduro, der die philippinische Community kennt wie kaum ein anderer, schätzt, dass dreissig bis vierzig Prozent den Islam annehmen. Mit seiner Organisation leistet er Rechtshilfe für Filipinos und Filipinas, die von ihren ChefInnen um das Gehalt geprellt werden oder unter gesetzwidrigen Bedingungen schuften. Auch Hausangestellte, die unter Ausbeutung leiden und nicht selten sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind, wenden sich an die Organisation, die Maduro – wie auch seinen echten Namen – nicht in der Zeitung erwähnt sehen möchte.

«Es gibt verschiedene Gründe, warum Filipinos in Saudi-Arabien zum Islam übertreten», sagt Maduro. Einige – die «Muslime im Herzen» – beschäftigten sich intensiv mit dem Islam und konvertierten aus Überzeugung. Aber längst nicht alle: «Viele Arbeitgeber zahlen ihren Angestellten einen Obolus, wenn sie Muslime werden.» 500 Rial, rund 120 Euro, seien durchaus normal. Ausserdem erleichtere die Konversion die «Integration ins System». Saudische Arbeitskollegen würden muslimische Gastarbeiter besser behandeln. «Sie betrachten dich als Bruder, wenn du übertrittst.» Auch auf den Ämtern habe man es leichter. Wer in seinen Papieren «Muslim» stehen habe, könne zum Beispiel seine Aufenthaltsgenehmigung schneller verlängern lassen.

Fünfzig Rial für eine Frage

Nach dem Gebet füllt sich die Altstadt von Dschidda wieder, Dschamil steigt auf sein Podest. «Wer hat Fragen zum Islam?», ruft er, doch die Glückssträhne ist vorbei. «Gibt es wirklich keine Nichtmuslime mehr?» Schliesslich wagt sich ein Mann ans Mikrofon, zögert dann aber und entschliesst sich, nicht überzutreten. Auch zwei offensichtlich nicht saudische Teenager, die zufällig an der Menge vorbeikommen, haben anderes im Kopf. «No, no», winken sie ab und ziehen ihres Weges.

Zeit für einen Anreiz: «Dreissig saudische Rial für eine Frage zum Islam», ruft Dschamil und hält drei Prepaid-Karten in die Höhe. Sein Kollege steckt ihm zwei weitere zu. «Fünfzig Rial Handyguthaben!» Tatsächlich meldet sich einer: «Was ist der Unterschied zwischen Muslimen und wiedergeborenen Christen?», will er wissen. Dschamil holt weit aus, am Ende seiner Predigt landet er beim Koran und der Bibel. «Die Bibel», sagt er, «wurde von Autoren geschrieben. Der Koran ist das Wort Gottes.»

Der Mann nickt und steckt die Prepaid-Karten ein. Vielleicht kommt er nächsten Freitag wieder. Dschamil wird da sein.